Paper–Blog: Kein Zuckerschlecken

Ich bin kein Intensiv-ÖV-Nutzer, nicht nur weil man aus Gütighausen nur sehr erschwert an sein Ziel kommt – geschweige denn nach 20 Uhr wieder nach Hause, sondern auch weil das Gedränge und Nach-mir-die-Sintflut-Gehabe während der Stosszeit an den Bahnhöfen mich nicht wirklich animiert umzusteigen.

Trotzdem kommt es ab und zu, wenn auch selten, vor, dass ich den Zug nehme. Ein Grund kann das Wetter sein oder auch einfach, dass man mal ein Bier mehr trinken will. Doch auch hier ist die Reiseplanung etwas speziell, da man, vor allem an Wochenenden entweder sehr viel Geld für die Taxifahrten braucht oder mit dem Auto den nächstbesten Bahnhof, zumindest den Hinweg ganz nüchtern, ansteuert.

Im letzten Jahr war ich zweimal Privat mit den ÖV unterwegs, um mindestens zwei statt ein Bier trinken zu können. Mal abgesehen davon, dass eine Zugfahrt von Andelfingen nach Au-Wädenswil 1½ Stunden dauert, man noch nach Andelfingen und am Zielbahnhof auch noch zum effektiven Zielort fahren oder gehen muss. So kommt man auf satte zwei Stunden für einen Weg. Die Planung der Rückfahrt muss früh angegangen werden, da die Züge ja nicht rund um die Uhr fahren. Sie können sich selber ausrechnen, wann man in Au-Wädenswil am Bahnhof wieder weg muss, um den letztmöglichen Anschluss nach Andelfingen zu erreichen. Am Wochenende kann man noch den Nachtzug nutzen, aber wer will schon erst um zwei oder drei Uhr nach Hause kommen, nach zwei Stunden Zugfahrt.

Die Hinfahrt ans Zielort war jeweils eher langweilig. Die Rückreisen waren aber interessant und führen nicht unbedingt dazu, dass man zum Dauer-ÖVler wird. Im Oktober führte die Rückreise von Au-Wädenswil via Winterthur. Bis nach Winterthur lief alles ruhig und in normalen Bahnen. Doch ab Winterthur wurde es unterhaltsam. Es begann schon am Bahnhof – es war Oktoberfest, mehr muss ich wohl nicht erwähnen – und das Trunken-Elend nahm Platz im Zug und liess sich den Abend nochmals «durch den Kopf gehen». Spassig war vor allem die Reaktion der Zugfahrenden. Etliche wollten im Abteil nebenan Platz nehmen, gingen aber schnell wieder weiter, als sie feststellten was nebenan sass.

Die zweite Erfahrung, am Silvesterabend von Zürich aus, war von Winterthur aus langweilig. Dafür war die Reise von Zürich aus ein Erlebnis. Eingestiegen am Hauptbahnhof, stellte ich am Bahnhof Stadelhofen fest, dass nach dem Ende des Feuerwerks – man müsste ja nicht gleich DEN Zug nehmen – alle nach Hause wollten. Als «Sardine» im Zug erlebt man sehr viel.

Das WC wird sehr schnell in Bezug genommen, wenn auch nicht für das normale Geschäft. Taucht dann plötzlich noch eine weitere, der bisherigen WC-Besetzterin unbekannte, männliche Person auf, welche die selben Absichten hegt und sich ins schon besetzte WC drängt, kommt Spannung auf. Ein Wortwechsel entsteht und das Blut im Alkohol kommt in Wallungen.

Doch die SBB haben vorgesorgt und es sind etliche Zugbegleiter unterwegs, welche eingreifen, wenn sie denn durch den bis zum letzten Stehplatz gefüllten Zug kommen. Ehrlich, ich möchte den Job nicht machen! Jedes Wochenende sich mit betrunkenen und aufmüpfigen Zuggästen rumärgern und dann noch möglichst ruhig zu bleiben. Für das Reinigungspersonal ist es auch kein Zuckerschlecken, nach solchen Anlässen.

Ich werde sicher wieder einmal eine Zugfahrt, um diese Zeit unternehmen, auch wenn die bisherigen Erfahrungen nicht dafür sprechen, denn spannend ist es.

ebu

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