Gedanken zum Herbst

Zu diesem Thema darf ich einen Beitrag für die Dorfposcht schreiben. Also setze ich mich an den Schreibtisch und mache mir Notizen.

Im Frühling hat mich ein alter Baum mit seiner Blütenpracht dazu inspiriert ein Gedicht zu schreiben. Soll ich etwas von diesem Baum berichten? Seine Früchte sind längst abgeerntet. Sie liegen vielleicht in einem Kellergestell und werden allmählich gegessen oder verarbeitet. Die Blätter haben sich rot und gelb gefärbt vom Herbststurm übers Land wehen lassen. Im Baum ist es ruhig geworden, kein Bienengesumme, kein Vogelgezwitscher, kein Blätterrauschen. Manchmal setzt sich ein Vogel neben einen letzten Apfel und pickt vom süssen Fruchtfleisch.

Möchte ich etwas von den Vögeln schreiben, die sich vor kurzer Zeit mit viel Gezwitscher und Geflatter in Bäumen, auf Drähten und Dächern gesammelt haben um, auch in der heutigen Zeit ohne GPS, in wärmere Länder zu fliegen? Ihr Morgengesang fehlt. Zum Glück sind einige hier geblieben. Ich freue mich bereits darauf, sie im Winter am Futterhäuschen zu beobachten.

Vielleicht beschreibe ich eine Herbstwanderung in den Bergen? Der Himmel ist bereits am frühen Morgen tiefblau – darunter die schneeweissen Bergspitzen. Noch ist die Luft kühl. Ich wandere über Alpweiden, geniesse die Ruhe, atme die frische Bergluft. Die rotgefärbten Heidelbeerstauden und die gelben Lärchen leuchten in der Herbstsonne intensiv. Immer höher hinauf gehts. Schon bald werde ich mit einer traumhaften Aussicht belohnt. Unter mir das Tal im Schatten. Ich geniesse die warmen Sonnenstrahlen, freue mich aber auch auf den Winter, der diese bunte Bergwelt unter einer weissen Decke ruhen lässt.

Könnte ich etwas aus meiner Jugend erzählen? Im Herbst haben wir uns damals mit Holzstäben, Papier und Schnur auf den Boden gesetzt, um einen Drachen zu basteln. Am Schluss falteten wir Maschen und machten damit einen langen Schwanz. Stolz liefen wir jeweils mit unserem Werk auf ein abgeerntetes Feld. Dort warteten wir auf den Wind. So wie ich mich erinnern kann, stürzte unser Drache nach einem kurzen, wilden Tanz ab und knallte auf den harten Boden. Mit zerbrochenen Holzstäben und zerknittertem Papier unter dem Arm gingen wir nach Hause. In den folgenden Jahren haben wir trotzdem wieder einen Drachen zusammengebaut. Vielleicht fliegt er ja diesmal.

Dann wäre ja auch noch dieser besondere Herbst 2020. Auch darüber könnte ich etwas schreiben. Wegen eines winzig kleinen Virus müssen wir uns anders verhalten, als wir es uns gewohnt sind. Es gibt keinen alljährlich stattfindenden Besuch der Dorfchilbi, des Marktes oder der Herbstmesse. Eine Städtereise kann nicht gemacht werden oder nur mit Maske. In Zürich und Winterthur duftet es, wie jeden Herbst, nach gebratenen Marroni. Gerne würde ich hingehen und mir ein paar kaufen. Aber – darf ich sie auf offener Strasse essen? Oder nehme ich sie doch besser nach Hause, um sie dort zu geniessen?

Es gäbe noch viele Themen die mir zu dieser Jahreszeit einfallen – aber inzwischen ist die Seite vollgeschrieben. Also habe ich ein Jahr lang Zeit mich für ein Thema zu entscheiden, mich damit auseinanderzusetzen und im nächsten Herbst ausführlich darüber zu berichten.

Ich wünsche uns allen gute Gesundheit, eine schöne Advents- und Weihnachtszeit (auch ohne Dorfmarkt und ohne Marroni) und einen Winter mit ein paar Schneetagen.

Vielleicht bis zum nächsten Mal.

Annigna Müller

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