Leserinnen und Leser, die sich an die ersten Dorfposcht-Jahre erinnern, werden meine Interview-Partner sicher noch kennen. Frauenfelders waren nicht nur seit der Gründung unserer Dorfzeitung im Redaktionsteam tätig, sondern während der elfjährigen Wohnzeit in Gütighausen auch anderweitig sehr aktiv in unserer Gemeinde. In der Januar-Ausgabe des Jahres 1992 haben sie sich von den LeserInnen verabschiedet – nicht zu übersehen mit etwas Wehmut im Herzen. Kürzlich bezeichneten sie sich selber in einem Bericht an die Dorfposcht als «Heimweh-Gütighauser». Die Zusage zu diesem Interview kam dann auch recht spontan, ebenfalls ein Zeichen, dass sich die beiden mit unserer Gemeinde nach wie vor verbunden fühlen. Über die Gründe des Wegzugs und was nachher geschah, durfte ich mit Hansruedi und Annie ein interessantes Gespräch führen.
Wieder zusammenleben.
Im Frühjahr 1992 seid ihr hier weggezogen. Welches war der eigentliche Grund?
Wir konnten in Zurzach den Campingplatz als Platzwartehepaar übernehmen. Es war eine Zeit, in der wir uns als Familie etwas auseinandergelebt hatten. Das typische Bild einer Familie, in der die Kinder den Vater langsam aber sicher nicht mehr kennen. Der Mann geht morgens zur Arbeit, kommt abends spät nach Hause, ist zudem noch oft im Ausland -und die Frau? Sie führt den Haushalt… Wir haben die Probleme zum Glück erkannt und die Chance gepackt, gemeinsam ein neues Projekt anzugehen. Es war eine neue Herausforderung für uns als Familie.
Wie kann man sich das vorstellen? Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Neubeginn auf dem Zeltplatz gemacht?
Der Platz zählte um die 200 Einheiten, integriert war auch ein Restaurant und ein kleines Wohnhaus für uns. Annies Hauptaufgabe war das Kochen der Mittag- und Nachtessen. Unsere Söhne mussten im Service, in der Küche und überall mithelfen. Hansruedi war für den Platzunterhalt und die Anmeldung zuständig und hat ebenfalls im Restaurant ausgeholfen. Die meisten Gäste waren Dauercamper, siebzig Prozent Rentner, aber auch internationale Touristen. Man kannte sich. Wir fühlten uns wie in einer grossen Familie. Das war sehr schön.
Vorher hattet ihr als Familie zuwenig voneinander, jetzt sah man sich täglich von früh bis spät. Gab das keine Probleme?
Nein, das haben wir wirklich sehr genossen. Das war das Positive in dieser Zeit. Wir haben miteinander gearbeitet, gelacht, geweint und durchgehalten.
Aber nach der dritten Saison haben wir gemerkt, dass wir unseren Anforderungen nicht mehr genügen konnten. Wir arbeiteten sieben Monate lang während sieben Tagen pro Woche. Es war uns zu streng.
Wie ging es weiter?
Ich (Hansruedi) konnte bei meinem früheren Arbeitgeber wieder einsteigen und bin jetzt dort im Export tätig. Den Wohnort Zurzach haben wir behalten. Wir wollten den Kindern nicht nochmals einen Ortswechsel zumuten.
Wie seht ihr das Projekt mit dem Campingplatz im Nachhinein? Hat es sich gelohnt?
Finanziell natürlich nicht. Der Betrieb musste quasi aufgebaut werden. Dazu kam die relativ teure Wirteschule und wir machten Fehler im Einkauf und im Verkauf. Aber wir sind froh, dass wir uns durch diese Arbeit wieder neu gefunden haben.
Hansruedi, du bist nun im Export tätig. Wie ist es jetzt mit der beruflichen Abwesenheit?
Ich bin wieder oft von zuhause weg, nur sind unsere Kinder jetzt grösser und Annie kann hin und wieder mitkommen. Es ist nicht mehr so wie damals in Gütighausen.
Kommen wir nochmals zurück zu jener Zeit, als ihr in unserer Gemeinde gewohnt habt. Wie haben eure Kinder, auf den Umzug reagiert und wie kamen sie mit der neuen Situation zurecht?
Urs und Kurt waren in der Mittelstufe. Sie beide haben den Wechsel sehr gut verarbeitet. In der neuen Schule haben sie sich gut entwickelt und mittlerweile sind beide in der Lehre. Kurt wird Maurer, Urs Elektromechaniker. Ihre Kollegen aus Gütighausen haben sie natürlich verloren. Während etwa zwei Jahren verbrachten sie noch die Sommerferien in Gütighausen auf dem Zeltplatz und trafen dort ihre früheren Schulkameraden wieder.
Unser ältester Sohn Harald ist in der Gemeinde geblieben und wohnt noch heute in Thalheim. Unser Pflegesohn Peter, der seine Schulzeit in Gütighausen und Thalheim verbracht und zehn Jahre bei uns gewohnt hat, ist ebenfalls nicht mit nach Zurzach gezogen.
Ihr habt bei uns aktiv am Dorfgeschehen teilgenommen. Welches waren die wichtigsten Dienste im Rahmen unserer Wohngemeinde?
Ich (Annie) war Dorfweibel in Gütighausen. Das war eine sehr schöne Tätigkeit. Es ging darum, alles von der Gemeinde, was nicht mit der Post verschickt wurde, in die entsprechenden Briefkästen zu verteilen, z.B. Stimmcouverts oder Mitteilungen, dazu gehörte auch die Christbaumbestellung vor Weihnachten, oder ganz speziell erinnere ich mich an die Formulare bei der letzten Volkszählung, wo ich vor allem bei älteren Leuten noch Hilfe beim Ausfüllen anbot. Zudem war ich im Samariterverein und Stimmenzählerin im Wahlbüro.
Und du Hansruedi warst vor allem in der Kirchenpflege tätig.
Richtig, ich war acht Jahre dabei. Es war eine gute Zeit. Ich erinnere mich gerne daran zurück.
Und nicht vergessen wollen wir auch die Arbeit in der Dorfposcht-Redaktion, wo wir beide ganz von Anfang an am Entstehen der Dorfzeitung beteiligt waren.
Noch immer sehr aktiv in der Gemeinde
Habt ihr in Zurzach ähnliche Ämter übernommen?
Annie ist Ersatz-Sigristin geworden, und hat zusätzlich noch Arbeiten rund um das Kirchgemeindehaus und bei der Pro Senectute übernommen. Hansruedi ist Ersatzmann in der Steuerkommission, eine Tätigkeit, die es spezifisch im Kanton Aargau gibt.
Was verbindet euch heute noch mit dem früheren Wohnort Gütighausen?
Hier gibt es drei wichtige Gründe:
Der erste ist unser Sohn Harald, der zweite ist die Dorfposcht, die wir nach wie vor mit grossem Interesse lesen und der dritte sind Kontakte zu den Familien Jordi und Schaer, die wir bis heute weiterpflegten. Wir wurden vor zwei Jahren an die sogenannte Jazz-Vorführung auf der Heubühne in Gütighausen eingeladen. Das hat uns sehr gefreut.
Welche guten Erinnerungen bleiben rückblickend an eure Zeit in Gütighausen?
Als wichtigstes bleibt diese einmalige Wohnsituation, der Platz für Tiere, die ruhige und schöne Lage, das war fantastisch. Dann auch die Tatsache, dass wir Bekanntschaften schliessen konnten und liebe Leute kennenlernen durften. Obschon wir zu den meisten heute keinen Kontakt mehr haben, bleiben viele Erinnerungen an diese Begegnungen.
Gibt es auch schlechte Erinnerungen?
Am ehesten das manchmal fehlende Verständnis gegenüber Andersdenkenden, oder anders gesagt eine gewisse Distanz und Skepsis gegenüber neuen Ideen.
Es gibt Skepsis gegenüber neuen Ideen
Als sozialdemokratisch denkender Mensch war es in Thalheim nicht immer einfach. Ich habe versucht, mich für die Gemeinschaft einzusetzen und wurde oft aufgrund meines Denkens als Person nicht akzeptiert. Das tat manchmal weh.
Ist das in Zurzach anders?
Eigentlich schon. Zurzach ist viel grösser und schon aus diesem Grund irgendwie anders.
Stellt Euch der Herausforderung!
Hansruedi und Annie, ich danke euch im Namen der Redaktion herzlich für dieses offene Gespräch und wünsche euch und eurer Familie alles Gute.
Dürfen wir noch etwas ergänzen? Wir beide, Annie und ich, wünschen eurer Gemeinde eine Menge aktive Leute, Menschen die Initiative ergreifen und sich für die Gemeinschaft einsetzen. Ganz klar, dass es in kleinen Wohngemeinden immer schwieriger wird, jemanden für ein Amt zu finden. Jenen aber, die sich der Herausforderung stellen, wünschen wir alle Kraft. Das Dorfposcht-Redaktionsteam ist hiermit eingeschlossen. Macht weiter so! Eure Zeitung gefällt uns sehr!
Danke für die Blumen. (Das Lob schmeichelt zwar, aber es tut gut!)
Marlies Schwarz