Presseschau: Thalheim oder Dorlikon?

Artikel aus den Schweizer Medien über den Vorschlag, Thalheim wieder in Dorlikon umzubenennen. Informationen zu dem Gesuch finden Sie in den Gemeindenachrichten der Ausgabe 74/vom März 2004.

Landbote, 24.03.04:
Thalheim an der Thur: Gemeinderat prüft Einwohnerbegehren

Zurück zum Namen Dorlikon

Die Gemeinde, die seit 126 Jahren Thalheim an der Thur heisst, soll wieder ihren früheren Namen Dorlikon annehmen. Ein Ehepaar hat dem Gemeinderat einen Antrag «zur Prüfung der Machbarkeit» gestellt.

Von Jakob Roduner

«Das ist ja wohl ein verfrühter Aprilscherz», meinte eine Einwohnerin, nachdem sie vom Antrag erfahren hatte, gemäss dem der Gemeinderat die erneute Namensänderung zu prüfen habe. Die idyllische Weinländer Gemeinde hiess bis 1878 Dorlikon. Die Dorliker waren es damals leid, dass sie weitherum gehänselt wurden, wenn sie ihre Herkunft preisgaben. Denn der Begriff «Torliker» hatte landauf und landab auch noch eine besondere Bedeutung: In Anlehnung an «Tor» (Trottel, Einfaltspinsel) wurde einer, der etwas nicht sogleich begriff, unweigerlich gefragt: «Bisch Du dänn vo Torlike?» Die Dorliker wollten nicht länger bei jeder Gelegenheit als Einfaltspinsel apostrophiert werden: An einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung, die am 26. Juni 1877 durchgeführt wurde, beschlossen sie, dem Regierungsrat des Kantons Zürich die Namensänderung zu beantragen. Seit dem folgenden Jahr heisst die Gemeinde Thalheim an der Thur.

Die Idee, den Namen jetzt wieder rückgängig zu machen, ist tatsächlich kein Aprilscherz. «Ich bin eigentlich nur das Sprachrohr einiger Thalheimer, die immer noch dem alten Namen nachtrauern», sagt der Verfasser der Eingabe an den Gemeinderat. «Dorlikon – das ist doch wirklich ein einmaliger Name», gibt er zu bedenken. «Und was die früheren Foppereien betrifft, so sind wir der Meinung, dass das im dritten Jahrtausend kein Thema mehr sein sollte. Wie alles hat sich auch die Sprache wesentlich geändert. Die alte, für die Bewohner der Gemeinde diskriminierende Redensart ist heute kaum mehr bekannt.»

Natürlich sind sich die Initianten bewusst, dass die Namensänderung viel Aufwand an Arbeit, aber auch grosse finanzielle Folgen bedeuten würde. Mit dem Antrag wird deshalb lediglich gefordert, dass sich die Gemeinde zuerst einmal mit dem Thema befasst. Ähnlich wie vor einigen Jahren in Andelfingen und Kleinandelfingen, als man eine Fusion prüfte, soll in Thalheim abgeklärt werden, ob die Rückkehr zum ursprünglichen Namen überhaupt möglich sei und welche Konsequenzen dies hätte.

Die Bevölkerung soll in der nächsten Ausgabe der Gemeindezeitung «Dorfposcht» orientiert werden. Gemeindepräsident Peter Wettstein nimmt es gelassen: «Lassen wir die Sache doch einfach mal auf uns zukommen! Vielleicht werden interessante Diskussion entstehen. Die Meinung der Bevölkerung ist mir natürlich schon wichtig.» Eugen Morf, der frühere Präsident der Bürgergemeinde, erinnert sich: «Das Thema wurde auch anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des heutigen Gemeindenamens diskutiert, hatte aber überhaupt keine Chance, eine Mehrheit zu finden.» Und eine Einwohnerin in Gütighausen, das politisch zu Thalheim gehört, fragt sich: «Haben wir denn heute wirklich keine anderen Probleme zu lösen?»

Dass das Für und Wider einer Namensänderung gründlich abgeklärt und ausdiskutiert werden soll, entspricht genau den Vorstellungen der Initianten: «Und der Wille zur Änderung müsste deutlich spürbar sein – ein Abstimmungsresultat von 51 zu 49 Prozent würde uns nicht genügen.»

Klar ist: Im Gegensatz zu damals im 19. Jahrhundert gibt es heute keine fundierten Gründe für eine Namensänderung. Im Gegenteil, der heutige Gemeindenamen ist mit vielerlei positiven Attributen besetzt. Deshalb ist es fraglich, wie die kantonalen Instanzen reagieren werden, falls ihnen das Begehren vorgelegt werden sollte.


Tages-Anzeiger, 20.04.2004

Dorlikon – Thalheim an der Thur – Dorlikon

Thalheim an der Thur soll wieder Dorlikon heissen wie vor 126 Jahren. Ältere Einwohner finden die Idee originell. Für einen Namenswechsel brauchts aber triftige Gründe.

Von Jürg Schmid

Will eine Privatperson den Nachnamen ändern, muss sie dafür gute Argumente vorbringen können. Das Bundesgericht lässt einen Wechsel nur zu, wenn der Name lächerlich erscheint, anstössig oder hässlich oder wenn dieser eine Person sozial erheblich benachteiligt.

Für rote Köpfe sorgte gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch der Name Dorlikon, der Name der Weinländer Gemeinde, die seit 1878 Thalheim an der Thur heisst. Der Grund für den Wechsel war: Die Dorliker wurden Torliker genannt und in der nahen und weiteren Umgebung angeblich ständig gefoppt und geneckt. Die Frage von Zürchern etwa, «Bisch du dänn vo Torlike?», bezogen die Einwohner «unwillkürlich auf Tor, Dummkopf, törichter Kerl», wie der Historiker Reinhard Nägeli in der 1978 erschienenen «Chronik Thalheim» schreibt. Das Taschenbuch «Globi in Torlike» hat die alte Verballhornung wieder aufgenommen.

Die Anekdoten jedoch, wonach Verlobungen in die Brüche gegangen sein sollen, weil die Frauen nicht Dorlikerinnen werden wollten, verweist der in Thalheim aufgewachsene Dorfchronist Konrad Basler ins Reich der Dichtung. Der Raumplaner und ehemalige SVP-Nationalrat ist ein profunder Kenner seiner Geburtsgemeinde. Er hat bereits an vier Büchern über Thalheim mitgewirkt.

Aufbruch mit neuem Namen

Der Name Dorlikon leitet sich laut Urkunden nicht von «der Tor» ab, sondern von Torlinchovin, einer alemannischen Siedlung. Doch der historisch bezeugte Ursprung des Dorfnamens verhinderte die lautmalerische Anspielung Tor(liker) nicht: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Dorliker die ständigen Sticheleien endgültig satt. Sie verlangten eine Namensänderung – und wollten sich damit auch Mut machen für den Aufbruch aus der wirtschaftlichen Misere.

An der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 16. Juni 1878 beauftragten die Stimmberechtigten den Gemeinderat, in Zürich für eine Namensänderung einzustehen. Ein Jahr darauf bewilligte der Kantonsrat auf Antrag der Regierung den Wechsel. Fortan hiess die Gemeinde Thalheim mit dem Zusatz «an der Thur» wegen Verwechslungen mit dem aargauischen Thalheim bei Schinznach Dorf.

Jetzt, nach 126 Jahren, soll der Gemeinderat ein Zurück zu Dorlikon prüfen, wie die «Dorfposcht» meldet. Dies verlangt ein Ehepaar, das anonym bleiben will. Seine Argumente: Heute würde über den Namen nicht mehr gespottet. Zudem habe der Namenswechsel nicht viel gebracht. «Ich ga uf Dorlike», würden ältere Einwohner heute noch sagen.

Der Gemeinderat stehe einem Namenswechsel eher skeptisch gegenüber, sagt Gemeindeschreiber Cyrill Bühler. Die Behörde wolle die Idee aber nicht abblocken und habe deshalb die Einwohner zu Stellungnahmen ermuntert: «Bisher gab es keine einzige positive Rückmeldung.» Zurzeit überwiege die Haltung, ob denn Thalheim keine anderen Probleme zu bewältigen habe. Konrad Basler meint: «Die Zeit ist für diese Idee nicht reif.»

Auch Eugen Morf, am 100-Jahr-Jubiläum der Gemeinde (1978) noch Bürgergemeinderat, gibt dem Anliegen keine Chance. «Wir haben die Rückkehr zu Dorlikon an der Feier diskutiert und verworfen», meint Morf. «Die Idee ist zwar originell, bringt aber auch Nachteile und kostet viel.» Er rechnet mit Kosten von gegen einer halben Million Franken. Der Wechsel von Grossandelfingen zu Andelfingen im Jahr 1970 sei schon relativ teuer gewesen. Nach einem Namenswechsel braucht es neue Ortstafeln, Drucksachen, Stempel, Ortspläne, Landeskarten, Ausweise und anderes mehr.

Kanton will Stabilität

Der Kanton Zürich ist nicht strikt gegen eine Änderung von Gemeindenamen (siehe Kasten). «Die Frage nach einem Wechsel muss in einer Gemeinde politisch beantwortet werden», sagte Vittorio Jenny vom Amt für Gemeinden. Aus Rechtssicherheitsgründen sei ein Beibehalten des Namens erwünscht, ausser es gebe stichhaltige Gründe für eine Änderung. Dies ist laut Gemeindegesetz dann der Fall, wenn sie «im Interesse einer weiteren Öffentlichkeit erwünscht ist». Als Beispiel sei der Wechsel von Illnau zu Illnau-Effretikon im Jahr 1974 erwähnt. Hinter dem Namen der Politischen Gemeinde Illnau sei die rund 10 000 Einwohner zählende Stadt Effretikon verborgen gewesen, steht im Kommentar zum Gemeindegesetz.

«Es heisst jetzt zwar nicht Dorlikon, aber wir mussten froh sein, jemanden zu finden, der die Namensänderung gesponsert hat!»


Blick, 21.04.2004

EinBlick Jürg Ramspeck: Bussen für Spötter

Im Alter von 15 Jahren leistete ich auf Befehl meines Vaters freiwilligen Landdienst in Dinhard im Zürcher Weinland und erlebte dort auch die Augustfeier. Sie wurde von den Dinhardern gemeinsam mit der Gemeinde Thalheim an der Thur durchgeführt und endete mit einer Schlägerei zwischen den beiden Turner-Riegen. Wenn ich deren Ursache richtig deutete, warfen die Thalheimer den Dinhardern vor, sie hätten nicht einmal eine eigene Wasserversorgung, während die Dinharder die Thalheimer darauf aufmerksam machten, dass ihr Dorf eigentlich Torlikon heisst.

Diese bewegte Feier in wärmster Erinnerung bewahrend, war ich sehr gerührt zu lesen, dass Einwohner von Thalheim die Wiedereinführung des ursprünglichen Dorfnamens «Dorlikon» beantragen. Ihren Wunsch, zur historischen Ortsbezeichnung zurückzukehren, begründen sie u.a. mit einem positivistischen Wandel der Weltsicht: Es werde heute niemand mehr ausgelacht, wenn er sagt, er wohne in Dorlikon.

Ich bin mir da nicht so sicher. Aber wenn ich den Fall des WK-Soldaten bedenke, der für die Titulierung seiner Frau Leutnant mit dem Ausdruck «Müüsli» zu einer Busse von 100 Franken verurteilt worden ist, sehe ich für Dorlikon eine sicher nicht unwillkommene zusätzliche Einnahmenquelle. Thalheim heisst wieder Dorlikon, und jeder, der ob der Erwähnung dieses Namens sein Gesicht verzieht, entgeht mit einer Zahlung von 100 Franken in die Gemeindekasse der Strafverfolgung. Von 200, wenn er einer Dorlikerin süffisant auch noch ein «Müüsli» nachwirft.

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