Dieser Beitrag erscheint mit expliziter Bewilligung des Thalheimer Gemeinderates als Gegenüberstellung zum Artikel von Jacqueline Gutknecht in der letzten Dorfposcht vom Juli 2024, mit welcher zum Teil auch Unterschriftenbögen für die «Gemeindeschutzinitiative» und die «Waldschutzinitiative» in die Thalheimer Briefkästen verteilt wurden.
Die Zeichen stehen auf Sturm, mitten im Sommer. In etlichen Weinländer Gemeinden schlägt dem Zürcher Regierungsrat in den Sälen und Turnhallen ein harter Wind entgegen, teilweise mit Böen aus Häme und Spott. Besonders stark bläst der Gegenwind aus Stammheim, Berg/Dägerlen, Altikon und Thalheim. Fakten und Bedingungen der Ausgangslage werden dabei selbstbewusst in den Wind geschlagen.
Wie sehen diese aus? Die Effekte der voranschreitenden Klimaerwärmung werden zusehends spürbar, auch für jene, welche den Berichten des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change/«Weltklimarat») kein Gehör schenken mögen. Aus diesem Grund wollen die Schweiz bis 2050, der Kanton Zürich bis 2040 klimaneutral werden. Und darum müssen wir fossile Treibstoffe wie Erdöl, Erdgas oder etwa Benzin möglichst rasch durch nachhaltige, CO₂-freie Energieformen ersetzen. Bei der Mobilität sowie in vielen weiteren Anwendungsbereichen geschieht dies durch Elektrifizierung. Der Strom wiederum muss aber auch irgendwie produziert werden. Am nachhaltigsten geht das mit erneuerbaren Energien: primär Wasser, Sonne – und Wind. Noch nachhaltiger ist es natürlich, Strom zu sparen, aber das ist unpopulär.
Reaktiviert wird zurzeit gerade wieder die Option Kernenergie. Planung und Bau neuer AKWs dauern jedoch mindestens 30 Jahre, AKWs kämen damit für die Erreichung der Klimaziele zu spät. Zudem lassen sich für AKW-Projekte kaum mehr Inverstoren finden und beim Uran bleiben wir völlig vom Ausland abhängig. Ganz zu schweigen davon, dass keine Region am Ende den radioaktiven Abfall übernehmen will. Und schliesslich hat die Schweizer Stimmbevölkerung am 21.5.2017 neuen AKWs mit der Annahme der «Energiestrategie 2050» mit 58.22 Prozent Ja-Stimmen eine Absage erteilt.
Das Potenzial der hiesigen Wasserkraft wird nach Realisierung der 16 Wasserkraftprojekte des «Runden Tisches» aus dem «Mantelerlass» ausgeschöpft sein. Mit der Solarenergie geht es inzwischen einigermassen vorwärts, auch wenn das Tempo beim Zubau noch nicht ausreicht und das Potenzial an geeigneten Flächen, die auch aus Sicht des Landschaftsschutzes unbedenklich sind, längst nicht ausreichend genutzt wird.
Im Sommer kann die Sonnenenergie im ganzen Land viel Leistung erbringen, im Winter liefern jedoch nur alpine Solaranlagen zuverlässig Strom. Auch die Wasserkraft produziert im Winter weniger Elektrizität. Dies ist die vieldiskutierte Winterstromlücke. Und hier kommt der heimische Wind ins Spiel, denn zwei Drittel des Windstroms werden im Winterhalbjahr produziert. Windenergie stärkt also unsere Versorgungssicherheit und unseren Selbstversorgungsgrad, weil er gerade zur richtigen Zeit weht. Der Preis: Windräder.
Gegen sie wird ins Feld geführt, dass sie unsere schöne Landschaft verschandeln, uns mit Infraschall und Stroboskopeffekten belästigen und Vögel töten. Meine Frage an Sie: Finden Sie Staudämme, ausgetrocknete Restwasserbachbette oder Hochspannungsleitungen schön? Oder Strassen und Parkplätze? Oder Futtersilos, Gewächshäuser und Folientunnels? Mögen Sie den Verkehrslärm? Die Lichtverschmutzung? Sind Sie gegen Katzen, weil sie Vögel töten? – Warum nehmen wir das eine hin und das andere nicht?
Ein weiteres Argument der Windkraftgegnerschaft: Für die Erstellung von Windturbinen muss Wald gerodet werden. Ja, das stimmt und ist schade. Aber wenn für die Erweiterung der A4 Bäume gefällt werden müssen, bleibt der grosse Aufschrei aus. Warum?
Wissen Sie noch, was unter dem Stausee Lai da Marmorera begraben liegt? – Um die Annehmlichkeiten ihres Lebensstandards zu sichern, nimmt unsere Zivilisation Opfer in Kauf, die weitaus gravierender und folgenschwerer sind als die Kollateralschäden einer Windturbine, die in ihrer Erscheinung durchaus auch etwas Majestätisches haben kann. Nach den Voten jüngst im Schwertsaal in Stammheim muss man aber sowieso vermuten, dass der Gegenwind nur regional bläst: Man ist nicht generell gegen die Nutzung der Windenergie, aber bitte doch einfach nicht hier bei uns. Dann ist es wie beim Fliegen: Die Mehrheit tut es, aber keiner will den Lärm. Oder bei der Atomenergie: Man bezieht den günstigen Strom, will aber den radioaktiven Abfall nicht. – Ich fände es schön, wenn die Haltung hinter unseren Entscheidungen ein bisschen ehrlicher und konsequenter wäre.
Ulrike Schelling