Werke von früheren Generationen, wie die ganze Urbarisierung mit Anlage der Felder samt Erschliessung, nehmen wir meist als etwas selbstverständlich Gegebenes. Auch die Namen gehören zu den Schöpfungen unserer Vorfahren, sind Zeugnisse von miteinander Tun und Leben, von gemeinsamem Wollen, von miteinander Reden und Abwägen und Festhalten. Vertieft durch den Gebrauch wurden sie zu geläufigen Tatsachen, gehörten dann zu dem, was man als «gang und gäb» nahm. Sie gaben der Landschaft und den geschaffenen Fluren sprachliche Gestalt, wurden geformt, bewahrt, vererbt, als Gebrauchsdinge und herkömmliches Kulturgut. Nach wie vor stiften diese Namen Gemeinsamkeit, durchs Sprechen und Schreiben, durchs Hören, Lesen, Kennen, indem sie eine allgemeine Sache begreifbar machen und diese erleben lassen.
Eichi: Halbwegs zwischen unseren Dörfern, unterhalb der Thurtalstrasse, mit einem Rest von Wald. «Eichi» kommt von dem im Dialekt gebräuchlichen Adjektiv ‹eichi› (eichen). Im ‹Eichi-Holz›, dem einst ausgedehnteren Waldrevier, standen Eichen in grösserer Zahl, Exemplare wie die prächtige Schlattwald-Eiche. Durch Jahrhunderte machten diese imposanten Bäume dort den hauptsächlichen Bestand aus und bildeten ein Fundament der dörflichen Lebenswelt. Die Eichen schätzte man nämlich nicht allein wegen ihres dauerhaften und kostbaren Holzes (für Fässer, Fachwerkbauten, solide Geräteteile), mindestens so wichtig waren sie als Fruchtbäume, die dank den Eicheln wertvolles Futter für die Schweine gaben, was die bildhafte Redeweise ‹auf den Eichen wachsen die besten Schinken› zum Ausdruck bringt; und die Sauenherde – damals in der Erscheinung kaum von Wildschweinen zu unterscheiden – wurde im Herbst von Thalheim und Gütighausen her ins ‹Eichi-Holz› zur Mastweide getrieben. In «Eichi» lebt also die Erinnerung an ein spezielles Waldgebiet fort, das in nachhaltiger Weise sowohl für die Ernährung wie für einen wertvollen Rohstoff von Bedeutung war.
Schuepi: An der alten Strasse, die von Gütighausen zum Weierholz und nach Andelfingen zog. Im Namen «Schuepi» steckt ein Begriff, der im Mittelalter sehr geläufig war: die Schuposse. So wurde ein Bauerngütchen bezeichnet, mit jährlicher Zinspflicht gegenüber der Grundherrschaft – in Gütighausen entweder das Kloster Töss, das Chorherrenstift Heiligberg in Winterthur oder das Klösterchen Beerenberg bei Wülflingen. Im «Schuepi» (mit der bei Flurnamen beliebten i-Endung) nannte man kurzerhand ein Ackerfeld, das zu dieser Schuposse im Dorf zählte, der dürftigen Existenzbasis einer Familie, die in bescheidenen Verhältnissen mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen vermochte – falls es weder grössere Zwischenfälle, noch ein prekäres Fehljahr gab (vergleiche den nahen ‹Wibelacker›).
Obmann: Bei der Getreidesammelstelle. Hier standen noch in den 1920er Jahren Reben, und diese liefern den Schlüssel zum Namen. Das «Obmann»-Amt war die mächtigste Verwaltungsstelle des Zürcher Staates, geschaffen nach der Aufhebung der Klöster in der Reformationszeit, in der ehemaligen Barfüsserabtei am Stadtrand (heute Obergericht). Hier gab es Korn- und Weinmagazine, und das «Obmann»-Amt besass im ganzen Kanton Güter, vor allem Reben, die Zinsen brachten; alles getreu der Devise, dass der Staat seine Mittel haushälterisch einsetzen solle: für Notzeiten vorsorgend und die Marktlage klug nutzend. Wie das Amt zu seinen Weinreben in Thalheim gekommen ist, weiss man nicht, vermutlich in einem der ‹Auffälle› (Konkurse), welche die Gemeinde erschütterten. Und das Amt in Zürich hielt darauf den ‹Wingert› lange Zeit in seiner Hand, was zur Benennung «im Obmann» führte, einem Namen mit herrschaftlicher Tönung.
Zuberbrunnen: Am Wanderweg zur Station ob Thalheim, beim Reservoir. Der Thurhang ist reich an Quellen – mit ein Grund für die Wahl des Siedlungsplatzes durch die Alemannen. Das Wasser wurde gefasst und in Brunnen genutzt, die lange der Stolz unserer Gemeinde waren; nicht von ungefähr lautete ein Vorschlag für den neuen Ortsnamen auch Brunnendorf. Alte Brunnen hatten gehöhlte Baumstämme als Tröge, bis im 18. und 19. Jahrhundert die steineren aufkamen. Oberhalb des Dorfes aber, beim Weg in die Reben, gab es einen Brunnen mit einem geräumigen «Zuber», einem Prachtsstück aus der Küferwerkstatt. Dieser aussergewöhnliche «Zuber-Brunnen» mit seinem voluminösen Wasserbecken war eine bemerkenswerte Ausnahmeerscheinung und damit wert, einen Namen mit der speziellen Auszeichnung zu tragen.
Ziel: Südlichster Teil der Gemeinde, Waldpartie bei der Verbindung nach Grüt und Dinhard. Hinter der Benennung steckt weder das Ende einer Laufstrecke noch der Schluss eines Velorennens. Im Mittelalter bedeutete «Ziel» (auch ‹Zyl›, ‹Zihl› oder ‹Zil› geschrieben) noch allgemein Grenze, Limite, Ende; in diesem Sinne wurde ein Areal gerne umschrieben mit der Formel ‹zwüschen Zihl, Hag und Mark›. Und Schützen redeten von der ‹Zihl›-Statt, dem Ort, wohin sie Kugeln aufs anvisierte schwarze Zentrum der Scheibe abfeuerten, gut gezielt eben. Beim «Ziel» war also etwas zu Ende, fand dort seine abschliessende Begrenzung. Das Thalheimer «Ziel» brachte mit dem Namen klar zum Ausdruck, dass sich bis da hin der Gemeindebann erstreckte (und nach wie vor erstreckt) – der Kreis, in dem die Dorfgemeinde zu Recht gebot und verbot. Weil in dieser heiklen Ecke zu den Eschliker und Dinharder hin die territorialen Verhältnisse besonders deutlich markiert waren, fanden sich da ein Grenzzeichen und ein Graben, um dort oben, ausser Sichtweite des Dorfes, das «Ziel» klar zu unterstreichen und kenntlich zu machen.
Text: Reinhard Nägeli, Bilder: Redaktionsteam