TV-Turnfahrt: Grosser Mythen

Viertel nach sechs, Samstagmorgen: Zum dritten Jahr in Folge gelang es mir nicht, diesen Treffpunkt, der Sage und Schreibe sechzehn Minuten vor der tatsächlichen Abfahrt unseres Zuges angesetzt war, einzuhalten. So liegt es erneut an mir, diesen Bericht zu verfassen. Manchen graute so sehr vor dieser Aufgabe, dass sie über eine halbe Stunde weniger Schlaf in Kauf nahmen und bereits kurz vor sechs Uhr am Bahnhof eintrafen, um es sich bei wohligen 5 Grad gemütlich zu machen …

Endlich traf dann auch der Zug ein und die Reise begann. Einige Jungturner schienen nicht sehr wandererprobt und auch ihre Ausrüstung liess zu wünschen übrig, so dass bei der Ankunft mit dem Postauto in Steinbach bereits die ersten Blasen zu beklagen waren, und ein Paar Wanderschuhe schon die Sohlen verloren. Dies obwohl noch kein einziger Fuss auf den Berg gesetzt worden war. Nichts destotrotz machte sich unsere Gruppe motiviert an den Aufstieg. Doch schon nach knapp 20 Minuten wandern stellte sich uns ein erstes Hindernis in den Weg. Die örtlichen Forstwarte hatten emsig gearbeitet und zahlreiche Bäume gefällt. Doch dann kam ihnen wohl das Wochenende in die Quere und so blieben die Stämme, samt Ästen und Laub, wo sie waren – nämlich mitten auf dem Wanderweg. Also legten wir eine kleine Klettereinlage ein, die sich mit vollgepackten Rucksäcken als gar nicht so einfach herausstellte. Als auch die letzten diesen Streckenabschnitt bewältigt und ihre Leistung mit einem Glas Wein begossen hatten, waren die anderen bereits ein gutes Stück weiter und die Gruppe zweigeteilt. Den Rest dieses Tages kann ich deshalb nur aus Sicht der letzteren Gruppe, auch bekannt als «Wandergruppe Mimimi», schildern. Irgendwann schlängelte sich der Weg aus dem Wald hinaus, direkt über eine Kuhweide, wobei es zur Kontaktaufnahme zwischen den Wiederkäuern und einem unserer Turner kam. So schnell werden Freundschaften geschlossen ;-).

Mittlerweile klagten die von Blasen geplagten Wanderer doch über grosse Schmerzen und einer entschied sich kurzerhand, in Socken weiter zu gehen… Nachdem die einst weissen Calvin Klein Socken eine stylische braune Färbung angenommen hatten, packte dieser dann auch noch die Adiletten aus. Wären wir immer noch auf dem Waldweg unterwegs gewesen, hätte dies vielleicht sogar funktioniert, doch inzwischen hatten wir wohl eine Abzweigung verpasst und fanden uns auf einmal an einem steilen Grashang wieder, von einem Weg weit und breit keine Spur. Durch den Regen in den Tagen zuvor hatten sich die Löcher im Boden in gut getarnte Schlammlöcher verwandelt, mit welchen sogar imprägnierte Trekkingschuhe zu kämpfen hatten. Der schon erwähnte Turner in Adiletten trat natürlich prompt in so ein Sumpfloch und hüpfte vor Schreck noch etwa 4m weiter. So investierten wir gute zehn Minuten in die Suche nach dem einen Schlarpen, bis wir ihn dank Teleskopwanderstock aus dem Schlamm fischen konnten.

Mit gut einer halben Stunde Verspätung erreichten auch die Letzten den Rastplatz, wo wir schon von den Klängen des Turnerliedes empfangen wurden. Nach kurzem Hallo und dem Austausch der ersten Erlebnisse zogen die Schnelleren gleich wieder weiter, während wir uns zuerst eine kleine Znünipause gönnten. Nach dieser Stärkung machten auch wir uns wieder gemächlich auf die (Calvin Klein) Socken.

Die Wandergruppe Mimimi machte ihrem Namen alle Ehre und jammerte über die vielen Bäume, deren Äste zu tief hängen, über den Weg, der zu steil war, über das Tempo, das zu hoch oder zu tief war, über die letzte Pause, die zu weit zurücklag… . Dennoch war die Stimmung gut, und mit einem Glas Wein, etwas Musik und einem Stück Schoggi (für den Blutzucker!) erreichten auch wir unser Ziel «Furggelen». Dass die anderen ihren Zmittag bereits aufgegessen hatten, kam uns dabei nur zu Gute, so konnten sie uns nämlich beraten bei der Wahl unserer Speisen.

Gestärkt durch eine feine Portion Rösti oder Älplermagronen und einem Dessert (es gab Nutellaglace!) starteten wir in den letzten Streckenabschnitt des Tages. Natürlich wieder mit einem deutlichen Rückstand auf die Spitzengruppe. Das Wetter machte langsam etwas zu und es wurde spürbar kälter. Innerhalb von Minuten zog Nebel auf und auf einmal beneideten wir fast ein wenig die anderen, die uns per Chat bereits über die warmen Zimmer informiert hatten. Zum Glück hatten auch wir es dann bald geschafft und gönnten uns eine heisse Dusche. In der Holzegg, am Fusse des Grossen Mythen, wurde uns ein leckeres Abendessen serviert.

Der Kellner bewies einen aussergewöhnlichen Humor und wollte allen unter 20 nicht glauben, dass sie wirklich schon ein Bier bestellen durften, was einige doch eher als Beleidigung empfanden. Bald nach dem Essen wurden an allen Tischen verschiedene Spiele gespielt oder einfach geplaudert. Ein spezieller Gast des Hauses, genannt Antonio, gesellte sich ebenfalls zu uns und gab uns eine Kostprobe seiner Gesangskünste. Der Abend war gemütlich und gegen Mitternacht zog es die meisten schon in Richtung Schlafgemach, denn der nächste Tag sollte für sie früh beginnen. Lediglich einige Jungs tanzten noch durch die Gänge und mussten der Snapchat-Community ihre durch die Wanderung gestählten Oberkörper präsentieren.

Am nächsten Tag wagten sich zehn Turner bereits um 5:30 nach draussen an die kalte Bergluft. Mit Stirnlampe ausgerüstet, dafür ohne Rucksack, machten wir uns in der Dunkelheit an den Aufstieg auf den Grossen Mythen. In knappen 50 Minuten erreichten wir den Gipfel, wo wir mit einer tollen Aussicht auf die Lichter im Tal belohnt wurden. Das gewünschte Sonnenaufgang-Spektakel bekamen wir leider nicht präsentiert. Jedoch waren wir uns einig, dass sich dieses morgendliche Abenteuer dennoch gelohnt hatte. Nachdem wir uns in der Hütte mit einem Rumpunsch o.ä. wieder aufgewärmt und im Gipfelbuch verewigt hatten, machten wir uns an den Abstieg.

Einige bekundeten Erleichterung darüber, dass es beim Aufstieg noch dunkel war – so sah man nicht wie steil die Felsen seitlich abfielen. Mittlerweile hatte sich die Sonne doch noch durch die Wolken gekämpft und es war prächtiges Wanderwetter. Als wir schon fast wieder unten waren, kamen uns unsere Langschläferkollegen entgegen, die sich jetzt auch noch Richtung Gipfel kämpften. Wieder in der Holzegg bedienten wir uns ausgiebig am Frühstücksbuffet und machten es uns auf der Terrasse gemütlich, bis die anderen wieder zu uns stiessen.

Etwas kompakter als am Vortag wanderte die Gruppe weiter, manche von uns begleitet von «Aprés-Wander-Musik», was bei den uns entgegenkommenden Berggängern sehr unterschiedlich ankam. Manche schüttelten empört den Kopf, während andere grinsend «die Hände zum Himmel» hoben und uns zum Tanzen aufforderten. In der Haggenegg fand noch die letzte Rast statt und danach stand nur noch die Strecke bis Malosen bevor. Wir vertrieben uns die Zeit während dem Wandern mit lustigen Spielen wie «3 wird zu 13» und «Ich packe i min Koffer.»

Dabei bewiesen einige ziemlich Ausdauer und blieben etwa eine Stunde lang an der gleichen Spielrunde, so dass es am Ende gut 5 Minuten dauerte bis man alle eingepackten Gegenstände wieder aufgezählt hatte. Mit Bus und Zug traten wir dann die Heimreise an. Da wir zusammen mit dem Chor zuvor das Turnerlied geübt hatten, wollten wir dieses Können den übrigen ÖV-Fahrern natürlich nicht vorenthalten und stimmten an: «Was ziehet so munter das Tal entlang…» Zwar waren noch nicht alle ganz textsicher und auch der ein oder andere schiefe Ton war zu hören, aber insgesamt fanden wir es eine tolle Performance. Diese Meinung teilten die Security wohl nicht, und baten uns deshalb, bitte etwas leiser zu sein. Um halb 8 erreichten wir den heimischen Bahnhof, bedankten uns bei Chrigel für die tolle Turnfahrt und verabschiedeten uns.

Sheila Graber

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