14. – 16. September 2017
Zu Beginn dieses Jahres flatterte eine Einladung für die erwähnte Informationsreise/Besuchsmöglichkeit von Anlagen in Deutschland und Schweden der Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) ins Gemeindehaus.
Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, weshalb wir als «Nichtstandortgemeinde» einer solchen Reise folge Leisten sollten. Schon schnell war jedoch klar, da wir für den Standort «Zürich Nord-Ost» zum Planungsperimeter des Entsorgungssachplanes bzw. dadurch auch zur Regionalkonferenz gehören, dort durch eine Delegierte vertreten sind, dies einen vertieften Informationsauftrag für unsere Gemeinde bedarf.
So fanden wir uns am Donnerstag in der Früh bereits in Zürich am Flughafen ein und wurden durch die Nagra Mitarbeiter freundlich begrüsst. Schon bald hiess es Platz nehmen im Flugzeug und los ging es nach Schweden. Mit dem Bus ging es dann durch die wunderschöne, schwedische Landschaft direkt nach Äspö, zum schwedischen unterirdischen Forschungslabor für die Einlagerung hochaktiven nuklearen Abfalls.
Nach der Begrüssung und den ersten Fachreferaten durch Seraina Branschi, BFE – Rosa Sardella, ENSI – Armin Murer und Philip Birkhäuser, beide Nagra – Mitarbeiter, folgten wir nach einem feinen Mittagessen den Erklärungen von Maria Fonander und Eva Häll der SKB (Swedish Nucklear Fuel and Waste Management Company). Hier wurde über die Entwicklung zur Standortwahl zum Endlager informiert und zu den Forschungszielen bzw. –inhalten im Felslabor von Äspö anschauliche Kennzahlen mit den nötigen Hintergrundinformationen vorgetragen. Schon bald durften wir uns nach einer kurzen sicherheitsrelevanten Einführung in die Handhabung der Schutzmaske, Einkleiden mit Leuchtweste, Schutzmaskenbox, Helm und Badge (damit wir im Notfall unter Tage geortet werden könnten) und es ging los mit der Fahrt in den Stollen des Versuchslabors. Bis auf 420 Meter Tiefe durften wir uns vom Bus hinunterfahren lassen und stiegen dann aus, hinein in den Stollen.
Sogleich wurden wir in die Querstollen geführt wo Beispielobjekte ausgestellt waren. Wir durften die Kupferkanister in realer Grösse bestaunen, Bentonit (ein zusätzliches Füllmaterial) in unterschiedlichen Texturen anfassen und bereits hier wurde mit anschaulichen Experimenten und Erklärungen die spätere geplante Einlagerung von hochradioaktivem Abfall erklärt. Die letzten 30 Höhenmeter nach unten legten wir dann zu Fuss zurück und fuhren dann mit dem Lift hoch, direkt ins Informationszentrum von Äspö, unserem Ausgangspunkt der Besichtigung. Schon war der Tag weit fortgeschritten und wir fuhren im Bus weiter nach Oskarshamn, wo wir das Kanisterlabor besuchen konnten.
Auf der Führung durch die ehemalige Schiffswerft wurde uns anschaulich die Erstellung und vor allem die Verschliessung der späteren «Kupferkanister» direkt an der grossen Maschine erklärt. Das diese Kanister dereinst ca. 25 Tonnen wiegen sollen, und davon nur ein Bruchteil auf den Hochradioaktiven Abfall – abgebrannte Uranpellets – zurückzuführen sein wird, ist eine ernstzunehmende Tatsache, welche uns einmal mehr über die Energiegewinnung aus nuklearem Material nachdenken lässt. Ein Kanister wird mit ca. 6.5 Tonnen reinstem Kupfer ummantelt werden was bei den heutigen Preisen alleine für dieses Material einen Preis von ca. 40’000 Franken pro Kanister ausmacht.
Nach einem weiteren Referat durch Simon Roth über die öffentliche Anhörung des Gesuchs von SKB für den Bau eines geologischen Tiefenlagers für abgebrannte Brennelemente und der Beantwortung vieler Fragen wurden wir mit dem Bus weitergeführt ins nahe Hotel – es blieb kurz Zeit für den Zimmerbezug und schon hiess es zum Apero und Nachtessen, bei welchem wir uns in angeregten Gesprächen austauschen konnten. Es gesellten sich hier unsere Führer aus dem Kanisterlabor und dem Informationszentrum von Äspö dazu, was angeregte Gespräche versprach.
Die Nacht war dann auch fast zu kurz, denn bereits am morgen um halb sechs hiess es Morgenessen und eine Stunde später Fahrt zum Flughafen um zeitgenau abzufliegen nach Braunschweig in Deutschland.
Schnell ging es dann von Braunschweig in Richtung Salzgitter, wo wir zuerst das alte Erzbergwerk Schacht Konrad besuchen durften.
Nach dem Sicherheitscheck wurden wir nach einem kurzen Briefing eingekleidet in Overalls, Schutzhelme, Schuhe und Sauerstoffmaskenbehälter sowie Grubenlampe (LED). Und schon ging es genauso wie die Kumpel im Lift die 1000 Meter nach unten in die Grube. Nach fünf Minuten waren wir dort angekommen und durften umsteigen in die Fahrzeuge (Dieselbetriebene Autos). Ein stetiger starker Luftzug garantiert die Zufuhr von genügend Frischluft und auch dass die Tunnels sich nicht allzu stark aufwärmen, so herrscht an einigen Stellen unter Tage eine Temperatur von 34 Grad Celsius – gekühlt versteht sich!
Eindrückliche Baustellen und Stollenwege wurden befahren, wir wurden durchgerüttelt wie auf einer Spassbahn im Europapark und das Gefühl liess uns nicht los, demnächst irgendwo um die Ecke in einem versteckten Stollen auf Dinosaurier zu stossen. Es war spannend, in keiner Weise beklemmend und doch surreal wie wir so durch diese Stollen brausten.
Die Bauarbeiten im Schacht Konrad sind soweit, dass dereinst ab ca. 2022 schwach bis mittelaktiver Nuklearer Abfall eingelagert werden kann. Das wird hier in einer eisenerzhaltigen Schicht erfolgen, welche von verschiedenen Tonschichten über und unter der bebauten Schicht zusätzlich abgedichtet ist. Zum Abschluss durften wir auch noch erleben was es heisst zum Schichtwechsel am Lift zu stehen – und raus zu wollen. –es dauerte länger bis wir wieder oben waren.
Zurück über Tage wurden wir mit einem Linsen-Bohnen-Eintopf, echter Bergmannskost überrascht und konnten uns danach wieder umkleiden um dem nächsten interessanten Referat von Klaus Loew, betreffend Schacht Konrad und dem Bewilligungsverfahren welches die Betreiber durcharbeiten mussten, zu folgen.
Weiter ging es hinein in den Bus und nach Asse, wo ein ehemaliges Salz-Bergwerk in den 60er Jahren bis 1978 als Endlager benutzt worden ist, ohne die ganzheitlichen und vorsichtigen Abklärungen gemacht zu haben. Es kam wie es kommen musste, Schächte sind eingestürzt, Grundwasser ist eingetreten und der Zugangsstollen droht einzustürzen. Die Bundesregierung als Verursacher diese Desasters hat die volle Verantwortung übernommen und zusammen mit einer Bürgerbegleitgruppe wurde dann bestimmt, dass der nukleare Abfall aus der Grube rückgeführt werden muss, neu verpackt wird und dann in ein noch zu erstellendes Zwischenlager bzw. schlussendlich in ein Endlager verschoben werden soll.
Zur Zeit sind die Tests und Untersuchungen soweit fortgeschritten, dass mit der Rückholung frühestens im Jahr 2033 begonnen werden kann – Die Bürgerbegleitgruppe ist schon so lange an der Arbeit, dass sie sich unterdessen leider zerstritten haben und die ortsansässigen Bürgerinnen und Bürger sind nicht mehr bereit das Konzept der Rückführung zu unterstützen. Es wurden schon viele Versuche gemacht, die Bürgerbegleitgruppe wieder zu einen – sie wieder konsensfähig zu machen. Mit Mediation – Information – aber auch Zeit hat die Betreiberfirma versucht die nötigen Strukturen zu erhalten um den Prozess der Sanierung Asse voranzutreiben. Leider steht hier im Moment der Bürger sich selber auf den Füssen, da das Vertrauen in die Bundesregierung massgeblich zerstört wurde.
Der Vortrag betreffend Asse II wurde durch Manuel Wilmanns, BGE gehalten, die Diskussion und Information betreffend Bürgerbegleitgruppe von Frau Regina Bollmeier, Gemeindebürgermeisterin Elm-Asse.
Asse hat einen schwierigen und steinigen Weg vor sich …
Und schon war wieder später Nachmittag, wir wurden ins Hotel Ratskeller in Salzgitter Bad gefahren, konnten kurz unsere Zimmer beziehen und bereits hiess es wieder zum Apero und späteren Abendessen weitere Gäste aus der Politik / Behörde von Salzgitter zu begrüssen. Wir verbrachten auch diesen Abend mit interessanten Diskussionen und viel Humor.
Den Morgen in Salzgitter konnten wir für einmal gemütlich angehen und genossen die ersten zaghaften Gespräche am Frühstückstisch und später auf kurzen Spaziergängen durch Salzgitter, sowie einem entspannten Besuch des vor der Hotelpforte gelegenen Gemüsemarktes. So ging es wieder nach Braunschweig an den Flughafen und von dort mit ruhigem Flug zurück in die Schweiz nach Zürich.
Was könnte das Fazit einer solchen Reise sein?
Es ist gut sich auch mal vor Ort informieren zu können, uns persönlich hat es v.a. auch betreffend Ängsten einiges gebracht. Für uns ist sicherlich klar, wir haben dieses Problem mit dem nuklearen Abfall, wir haben uns für die Kern- energiegewinnung ausgesprochen, wir müssen das Problem lösen und dennoch möchte keiner wirklich dieses Problem direkt vor der eigenen Haustüre wissen.
Die Schweiz ist zu klein, als dass wir uns in ein Schneckenhaus zurückziehen könnten und die Augen verschliessen. Wir müssen uns definitiv den Fragen und auch den Antworten aus Forschung, Wirtschaft und Wissenschaft stellen und sie abwägen. Wir entscheiden hier nicht für uns, auch nicht für unsere Kinder – die Entscheide sind für kommende Generationen und wichtig sie anzugehen. Aufschieben ist keine Lösung, da sich der nukleare Abfall nicht einfach in Nichts auflösen wird …
Zum Schluss sei hier noch gesagt, wir planen nicht für die nächste Generation, sondern für einen Zeitraum von 1 Mio Jahre, denn solange braucht es bis der Nukleare Abfall «ausgestrahlt» haben soll …so ist auch das in unsere Überlegungen mit einzubeziehen. Es ist schlussendlich nicht nur entscheidend wo der Standort des Endlagers zu stehen kommt – entscheidend ist viel mehr, dass es der Standort ist, der am Sichersten ist.
Cornelia Schumacher, Schulpflegepräsidentin,
Gemeinderätin
Cyrill Bühler, Gemeindeschreiber