Wo hat es denn da einen Wanderweg, fragten wir uns jeweils, wenn wir mit dem Auto oder der Bahn ab Erstfeld Richtung Gotthard fuhren. Ist er zumutbar? Dass die alten Säumer früher genügend Platz hatten in diesem engen Tal war keine Frage. Aber heute ist es ja nebst dem Fluss ausgefüllt mit der Autobahn, einer Bahnlinie und der Landstrasse. Wir fanden den Weg dann aber und er lässt sich sehen mit einigen sehr schönen und auch überraschenden Abschnitten.
Begonnen haben wir mit dem Fernwanderweg in Münchenstein, ausserhalb von Basel und wanderten zuerst durch die wunderschöne Juralandschaft über Langenbruck bis nach Aarburg und ab Zofingen weiter über Dagmarsellen, Sursee, dem Sempachersee entlang nach Rothenburg. Wir nahmen uns Zeit, nicht nur in Sempach, sondern auch in den andern wunderschönen Ortschaften zu verweilen. Mit dem Wetter hatten wir fast immer Glück. Selbst als wir die Samstags-Wanderung von Rothenburg nach Luzern auf einen Donnerstag verschieben mussten, weil Dauerregen angesagt war, wurde uns dies zum Vorteil. Kaum hatten wir den Militärflugplatz Emmen überquert, sahen wir einige FA18 starten und über unsere Köpfe hinweg donnern.
Wir genossen an diesem Tag dann noch eine sehr schöne Schifffahrt auf dem Dampfer von Luzern nach Flüelen. Auch die alten Säumer nutzten die Wasserwege. Als wir später in Wassen vorbei kamen, bot sich die Gelegenheit, durch den romantischen Blumengarten des Pflegeheims hinauf zur Kirche zu steigen. Es wurde uns dabei bewusst, dass das «Chileli vo Wasse» eine grosse Kirche ist. Dort sahen wir die berühmten Kehrtunnels für einmal aus der anderen Perspektive, also mehrmals den gleichen Zug vorbei fahren.
Unterdessen sind wir auf zwei-tägigen Touren unterwegs. Ein Highlight war die Schöllenenschlucht, wobei wir dem Leibhaftigen zum Glück nicht begegnet sind. Hoffentlich hat er sich nicht in den Basistunnel verzogen. Wir hätten ja auch keinen Ziegenbock dabei gehabt. In Andermatt fiel uns die rege Bautätigkeit im Rahmen des Sawiris-Projektes auf.
Die Überquerung des Gotthard war Abschluss und Höhepunkt der diesjährigen Saison. Nachdem der Pass im September wegen Schnee geschlossen war, kehrte der Altweibersommer rechtzeitig zurück und wir konnten ihn wenige Tage später bei prächtigem Wetter und besten Verhältnissen besteigen. Den Weg abseits der Autostrasse durch eine wilde und typische Berglandschaft konnten wir sehr geniessen und vergassen darob fast, dass es stetig aufwärts ging.
Eine mystische Stimmung mit vorüberziehenden Nebelschwaden erwartete uns am nächsten Morgen auf dem berühmten Berg. Der steile Abstieg über 1000 Höhenmeter auf einer Distanz von nur gut 7 Kilometern forderte einiges von uns. Besonders die älteren Seme-ster konnten stolz sein, nachdem sie es geschafft hatten.
Der Weg führte mehrmals an der Tremolastrasse vorbei. Velofahrer kämpften sich keine den Berg hinauf, Autofahrer waren erst vereinzelt unterwegs. Dafür hörte man das Pfeifen der Murmeltiere und wir sahen am Weg ihre frisch gegrabenen Schlupflöcher. Es blieb uns noch genügend Zeit, auf der Strada Alta hoch über der Leventina bis zum Bergdorf Altanca zu wandern und wir liessen uns zum Abschluss in einer Agritourismo Gaststätte mit regionalen Produkten, unter anderem einem ausgezeichneten Merlot, kulinarisch verwöhnen, bevor uns die Piora-Rittom Standseilbahn (88 Prozent Gefälle) ins Tal hinunter brachte. Arrivederci Ticono, im nächsten Jahr geht es weiter Richtung Chiasso!
Die Stimmung in der Gruppe war immer sehr gut. Einige sind ja auch schon über zehn Jahre dabei und es sind Freundschaften entstanden. Die älteste Teilnehmerin ist bald 83 Jahre alt. Für Individualität hat es genügend Raum, sei es, dass man einmal ein Teilstück mit dem Bus fahren kann, wenn es einem nicht so gut geht oder wenn die Wanderung zu streng ist. Wenn irgend möglich, möchte man eben doch dabei sein. In Gespräche vertieft vergeht die Zeit beim Wandern jeweils sehr schnell, einige wandern zwischendurch auch gerne allein.
Susann Morand