Manchmal begegnen uns Geschichten, die kaum zu glauben sind.
Als uns im Frühjahr 2010 Marie (31) und Nicolas (34) aus Lausanne, zu Beginn ihrer Velotour in Thalheim besuchten und erzählten, sie seien auf dem Weg in die Mongolei, habe ich das als Scherz aufgefasst. Auch ihr Versprechen, uns, sobald sie dort angekommen seien, eine Karte zu schicken, konnte ich beim besten Willen nicht ernst nehmen, denn die beiden hatten für die Reise weder eine feste Route, noch einen Zeitplan festgelegt. Sie sagten, sie würden unterwegs je nach Situation entscheiden wie es weiter gehe. Zudem schienen sie mir weder besonders durchtrainiert noch besonders erfahren.
Jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie die Mongolei wirklich erreichen würden.
Nicht schlecht staunten wir, als wir ein Jahr danach von den beiden eine Karte aus der Mongolei erhielten, mit Angaben über ihre Reise, die sie bis nach China, Japan und in die Mongolei führte.
Ob die Angaben auf der Postkarte den Tatsachen entsprachen, war damit noch nicht bewiesen. Erst als die beiden anfangs September 2011, eineinhalb Jahre nach ihrem ersten Besuch, auf dem Rückweg nach Lausanne – übrigens gesund und munter – wieder bei uns auftauchten, bewiesen sie, dass ihre unglaubliche Velotour tatsächlich stattgefunden hat. Sie bewiesen es mit reichhaltigen Eindrücken, Erfahrungen und Bildern ihrer Reise.
Um in der Dorfposcht noch etwas ausführlicher berichten zu können, habe ich die Beiden zu ihrer unglaublichen Velotour befragt. Sie berichteten Folgendes:
Da wir für die Reise nicht speziell trainiert hatten, starteten wir mit kleinen Tagesetappen. Die Fitness kam dann im Laufe der Zeit. Als Reisegepäck nahmen wir nur das Notwendigste mit. Unterwegs haben wir nicht mehr benötigte Kleidungsstücke verschenkt und bei Bedarf das Nötigste dazu gekauft.
Zelt und Kocher, sowie Velo-Flickzeug und einige Ersatzteile hatten wir dabei. Unterwegs, wenn etwas fehlte oder brach, das sich nicht so leicht reparieren liess, mussten wir oft auch unkonventionelle Lösungen finden. In Kasachstan, wo über weite Strecken kein Holz zu finden war, lernten wir beispielsweise, mit getrocknetem Kuhmist zu kochen.
Wir hatten zwar ein Reiseziel, jedoch keine fixierte Reiseroute. Vielfach entschieden wir erst unterwegs, durch welche Länder unsere Reise führen soll und welche Reiserouten wir wählten.
Hilfreich waren dabei die Begegnungen mit anderen Rad-Touristen, welchen wir unterwegs und in grösseren Städten begegneten. Hilfreich waren auch die Internet-Cafés, die heute in allen grösseren Städten zur Verfügung stehen.
Mit Velo und Zelt unterwegs zu sein, erlaubt die verschiedenen Länder, Landschaften, Dörfer, Städte und die verschiedenen Menschen und ihre Eigenarten relativ nahe zu erleben. Mit dem Velo bewegt man sich ausserhalb der Touristen-Ströme und begegnet immer wieder Menschen, die einen gastfreundlich aufnehmen.
Neben allen eindrücklichen und schönen Erlebnissen und Begegnungen, galt es natürlich auch schwierige Situationen durchzustehen: Tage in eisiger Kälte, unterwegs bei minus 30°, mitgeführte Nahrungsmittel und Getränke eingefroren, das Durchstehen eines mehrere Tage andauernden Sandsturmes in der Wüste Gobi, weite Strecken durch Gebiete ohne befestigte Strassen und unzählige weitere Beispiele.
«Anfangs Mai 2010 sind wir mit unseren Rädern in Lausanne gestartet. Nach dem Zwischenhalt in Thalheim an der Thur radelten wir weiter nach Wien, Istanbul, durch die Türkei, Kasachstan bis nach Baku. Das Kaspische Meer überquerten wir mit dem Schiff. Ab Krasnovodtsk, Turkmenistan ging die Velotour weiter in Richtung Zentralasien, Usbekistan, Kirgistan, West-China (Kashgar).
Von dort aus fuhren wir mit dem Schiff nach Japan. Nach einer Velotour durch Japan, reisten wir, natürlich wieder per Schiff, nach Nord-China. Von dort fuhren wir, wieder mit dem Velo, weiter nach Peking und dann Richtung Westen in die Mongolei, durchquerten mit unseren Rädern über Sandpisten und durch Steppen die Wüste Gobi und erreichten dann Kasachstan. Mangels Reisevisa war von dort aus die Weiterreise durch Russisches Gebiet nicht möglich. Schliesslich wurde die Durchreise erlaubt und wir reisten per Bahn rund 1000 km mit dem Zug bis nach Kiew. Von dort aus radelten wir weiter, durch die Ukraine, Slovakei, Tschechien, nach Berlin, München wieder nach Thalheim an der Thur und dann nach einigen Tagen zurück nach Lausanne.
Mit unseren Velos haben wir insgesamt eine Wegstrecke von 18’000 Kilometern zurückgelegt. Zurück in Lausanne werden wir vorübergehend bei Freunden wohnen und von dort aus eine neue Bleibe und Arbeit suchen.
Die Veloreise war ein fantastisches Erlebnis, eine wunderbare Erfahrung, die wir wohl zeitlebens nie wieder vergessen werden.»
Als Gastgeber vorübergehend solch verrückte Gäste beherbergen zu dürfen und von ihnen zu hören und zu erfahren, wie sie unterwegs waren und wie sie geradezu Unglaubliches erreichten, ist eine wunderbare Sache.
Meiner Ansicht nach so erstaunlich und bemerkenswert, dass ich es nicht lasssen konnte darüber in der Dorfposcht zu berichten.
Sollte es Interessierte geben, die es ebenfalls in die Mongolei zieht, oder die noch mehr wissen möchten über diese Reise, die E-Mail-Adresse von Marie und Nicolas ist der Dorfposchtredaktion bekannt
wjo