Im Schulzimmer von früher sassen nicht selten über 50 Schüler in engen harten Holzbänken. Die Klasse wurde von einem einzigen Lehrer unterrichtet. Dieser brachte den Kindern vor allem Tugenden wie Gehorsam, Fleiss, Ordnung und Sauberkeit bei. Ruten- und Stockschläge oder «Handtatzen» verteilte die Lehrperson bereits für kleinste Vergehen. Mit diesen Strafen versuchten die Lehrer ihre Vorstellungen von Disziplin durchzusetzen. Als eine weitere Grundvoraussetzung für Disziplin wurde das gerade und ruhige Sitzen angesehen. Früher wurde frontal und sehr trocken unterrichtet. Die Schüler mussten zuhören und sehr oft von der Wandtafel abschreiben.
Auf die Schönschreibung wurde sehr grossen Wert gelegt. Die Schüler schrieben mit Kreide auf Schiefertafeln oder mit Feder und Tinte aus dem Fässchen in ein Heft. Nahm man zu viel Tinte oder gab man zu viel Druck auf die Feder, gab es die verhassten Tintenflecken auf dem Papier. War die Schule aus, mussten die meisten Kinder bei der Arbeit zu Hause mithelfen.
Frau Ruth Roggensinger aus Thalheim erinnert sich sehr gerne an ihre Schulzeit zurück. Sie wurde im Frühling 1953 in Buch bei Uesslingen eingeschult. Das war damals eine Gesamt-schule. Ein Lehrer unterrichtete alleine die erste bis achte Klasse in einem Schulraum. Sie zählten etwas mehr als dreissig Schüler. Alle fünf Geschwister von Frau Roggensinger sassen im selben Klassenraum. Unterrichtet wurden die Schüler hauptsächlich in Lesen, Schreiben, Rechnen, Naturkunde, Geografie, Geschichte, Religion und Turnen. Währendem die Mädchen die Nähschule besuchten, wurden die Knaben in Geometrie unterrichtet.
Frau Roggensinger kann sich gut an ihren Lehrer erinnern: «Er war eine Person, die man zu respektieren hatte. Bei Ungehorsam verteilte er mit einem Haselnuss-Stab Tatzen. Dieses Vorgehen wurde von den Eltern akzeptiert. Auch verteilte der Lehrer Strafaufgaben. In der Klasse herrschte Ruhe und Ordnung. Auch die Sauberkeit war eine sehr wichtige Disziplin. Da mussten zum Beispiel die erste bis dritte Klässler ihre Schiefertafel übers Wochenende reinigen und der Holzrahmen musste gefegt sein. Dies wurde dann am Montag vom Lehrer überprüft. Auch das saubere Taschentuch und der gespitzte Griffel wurden kontrolliert.
Ab der vierte Klasse erhielten wir dann die Feder mit dem Tintenfässchen und ein Heft. Da wurden sofort die Tintenlumpen miteinander verglichen. Welche Mutter hatte ihrem Kind den schönsten Lumpen genäht? Wir Schüler trugen Schürzen. Diese mussten wir zu Hause aber ablegen, der Sauberkeit wegen. Im Sommer gingen wir mit dem Lehrer auch Baden. Da mussten die Mädchen hinter dem Gebüsch warten, bis die Knaben mit Baden fertig waren. Danach durften wir Mädchen ins kühle Nass springen.»
Höhepunkte während ihrer Schulzeit waren für Frau Roggensinger als die Schüler die Fenster des Schulhauses bemalen durften und auch das riesige Gemeinschaftsbild das sie alle zusammen auf Papier gestalteten. Später unterrichtete ein zweiter Lehrer an der Schule und die Klassen konnten in zwei Räume aufgeteilt werden.
«Wir hatten ein schönes Schulhaus und mein Schulweg war nicht weit. Die Kinder von den Nachbarsdörfern jedoch mussten schon mindestens zwei Kilometer unter die Füsse oder Fahrräder nehmen. Hausaufgaben hatten wir auch zu erledigen, jedoch nicht viele. Nach der Schule war es selbstverständlich, dass wir auf dem Hof zu Hause halfen.
Nur am Sonntagnachmittag war es uns möglich, mit Freunden abzumachen. In die Schule kamen die Eltern nur zum Examen, am Ende des Schuljahres. Auch der Schulinspektor war dann anwesend. Den Schülern wurde an diesem Tag ein Examen-Weggen und das Zeugnis verteilt.»
Für Frau Roggensinger war die Schulzeit keine strenge Zeit. Begriffe wie Schulpsychologie, Leistungsdruck existierten damals nicht. Als Kind wurde sie auch nicht mit Umwelt-, Abfall-, Gewalt- oder Drogenproblemen konfrontiert. «Wir gingen ganz frei und unbeschwert zur Schule.»
Schulen von heute besitzen unbegrenzte Möglichkeiten an Lehrmittel, Füllfeder, Kugel-schreiber, Computer, Videofilme, Taschenrechner usw. Die modernen Unterrichtsweisen wie Lernen nach Tages- oder Wochenplan, Gruppenarbeit, Projektwoche usw. sind in den Schulen heute allgegenwärtig. Die körperliche Züchtigung wurde abgeschafft, sie ist strafbar. Schüler werden von den verschiedensten Medien berieselt, sind informiert und aufgeklärt. Sie haben ihre ganz eigene Meinung und versuchen, diese auch durchzusetzen. Lehrer und Schüler müssen sich immer wieder mit neuen Gegebenheiten auseinandersetzen: Neue Rechtschreibung, neue Lehrpläne, neue Lehrmittel. Eine Reform jagt die andere. Lehrer sowie Eltern sind dadurch verunsichert. Gute schulische Leistungen scheinen enorm wichtig zu sein. Zusätzlich müssen die jungen Schüler kommunikativ, teamfähig, sprachgewandt und selbstsicher sein. Diese Fähigkeiten werden im Berufsleben und in unserer Gesellschaft verlangt. Unbeschwerte Schulzeit ade …!
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