Wasser ist ein faszinierendes Element. Durchsichtig und von blosser Hand nicht zu halten. Gesammelt aber eine wuchtige Masse, sei es im Brunnen, im Fluss, im See oder im Meer. Am Wasser zu wohnen ist nicht nur sehr schön, sondern auch ein Privileg. Schaue ich bei uns aus dem Fenster, dann sehe ich auf die Thur. Jeden Morgen nach dem Aufstehen muss ich wissen, wie hoch sie ist – oder wie wenig Wasser sie führt. Das kann bekanntlich rasch wechseln. Wo wir gestern noch die grossen Kiesbänke am andern Ufer sahen, wo die Enten auf der kleinen Kiesbank an der Sonne lagen, fliesst heute nach einem Regen in der Nacht viel Wasser mit Ästen und Baumstämmen rheinwärts. Oder die Thur füllt gar schon das Vorland.
Manchmal darf ich ein paar Tage an einem See verbringen. Am Hang über dem Lago Maggiore. Ich sehe auf den nördlichen Teil des Gewässers bis nach Italien, mitten drin die beiden Brissago-Inseln. Ein wunderbarer Ausblick! Wenn sich die Wellen kräuseln und südwärts gehen, bläst der Nordföhn – dann ist in der Regel schönes Wetter. Ob Thur oder Langensee: Aufs Wasser zu sehen, ist wohltuend und belebend.
Aber das Wasser kann auch gefährlich sein. Wenn bei uns zu viel davon vom Toggenburg her das Tal hinunter kommt, wenn die Thur über die Ufer tritt, kann es ungemütlich werden. Seit ich hier wohne, habe ich eine happige Überschwemmung erlebt, das war 1999. Das ganze Thur-Vorland war unter Wasser, auch die Felder daneben. Mit einem Mal wohnten wir an einem grossen See. Er war zwar nicht tief, aber Wasservögel schwammen darauf. Unsere Zufahrt war unter Wasser. Da bekamen wir eine Ahnung davon, wie rasch Wasser ganz unaufhaltsam ansteigen und vieles zerstören kann.
Mindestens so gefährlich ist kein sauberes Wasser – oder gar kein Wasser. Die Hilfsorganisation Helvetas fordert seit zwei Jahren ganz vehement «Wasser für alle». Das Süsswasser, das wir Menschen brauchen zum Trinken, für die Ernährung, für unsere Pflanzen und Tiere ist sehr ungleich verteilt auf der Welt. Viele Menschen haben zu wenig Wasser. Viele haben nur schmutzige Wassertümpel, werden krank davon – und sterben gar. Vor allem Kinder.
Nun sind meine Gedanken übers Wasser von der Faszination weitergegangen zu den grossen Sorgen vieler Menschen. Doch ich möchte mich weiter über das Wasser vor unserm Haus freuen können. Zum Glück gibt es Hilfswerke, die sich für Wasserprojekte einsetzen. Und diese kann man unterstützen – nicht mit Wasser, aber mit Geld.
Ursy Trösch