Zum Bonhoeffer-Jahr 2006 und dem hundertsten Geburtstag des mutigen Theologen und Pfarrers im Dritten Reich, Dietrich Bonhoeffer, 4. Februar 1906 – 9. April 1945
Vom 19. Dezember 1944 datiert ein Brief aus dem Gefängnis, dessen Beigabe als Kirchenliedtext berühmt werden sollte:
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar, –
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;
noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.
Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll’n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.
Lass warm und hell die Kerzen heute flammen
die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Das Gedicht war ein Gruss an seine Mutter zu ihrem siebzigsten Geburtstag und an seine Verlobte, die an diesem Tag bei Dietrich Bonhoeffers Eltern weilte. Wann immer heute diese Worte auf Grusskarten und im gottesdienstlichen Lied aufgenommen werden, mag man sich an die Situation erinnern: Die damit Gegrüssten sassen um den Weihnachtsbaum, feierten Geburtstag, dachten an die zwei inhaftierten Söhne Klaus und Dietrich, an zwei inhaftierte Schwiegersöhne, an die Tochter Sabine, Dietrichs Zwillingsschwester, die wegen ihres jüdischen Mannes ins Ausland gegangen war und nun wegen der nationalsozialistischen Diktatur ebenfalls nicht anwesend sein konnte, sowie an den gefallenen Sohn Walter. Und doch fand Dietrich Bonhoeffer in dieser Situation so tröstliche Worte! Wie mag es den Angehörigen ergangen sein, als sie die dritte Strophe oder im fünften Vers «Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen» lasen?
Am 17. Januar 1945 schrieb Bonhoeffer den letzten Brief an seine Eltern. Am 7. Februar erfolgte die Verlegung in das KZ Buchenwald, wo er den britischen Mitgefangenen Payne Best kennen lernt. Bevor Bonhoeffer am 8. April in das KZ Flossenbürg gebracht wurde, trug er Payne besondere Grüsse an Bischof Georg Bell auf, falls er seine Heimat erreichen sollte, und sagte zum Abschied: «Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens».