Nase und Ohren, drei Teile unseres Kopfs. Die Adlernase macht Eindruck, das Stupsnäschen wirkt naiv, Königin Kleopatras feine Nase war klassisch schön. Ohren sollen etwas aussagen über Intelligenz und Lebenserwartung eines Menschen. Sind sie gross und ausladend wie die von Jumbo, dem Elefanten, oder Charles, dem Königssohn, so sagt man in Basel: er oder sie kann mit den Ohren die Fensterläden schliessen im schmalen Imbergässli. Doch genug der Äusserlichkeiten – mir gehts heute um die inneren, die sinnlichen Werte von Nase und Ohren.
Zwischen Feldern und Äckern kann ich meine Kindheit riechen. Da strömt unverwandt ein würziger Duft von Heu in meine Nase – und schon sitze ich in Gedanken zuoberst auf dem Heuwagen meines Grossvaters. Vorne ziehen zwei Kühe die schwere Last, es war im letzten Kriegsjahr. Mein Grossvater war Arbeiterbauer, er hat tagsüber in der Fabrik gearbeitet. Vorher und nachher bauerte er mit zwei Kühen, zu meiner Freude hie und da einem Kälbchen, ein paar Feldern und Wiesen mit vielen Kirschen-, Apfel- und Birnbäumen. Auch Grossmutter schuftete wie verrückt im Stall und auf den Feldern. Fahre ich an einer Wiese vorbei, die frisch gegüllt oder mit Stallmist «gefüttert» worden ist, dann erinnere ich mich an meinen Landdienst im Welschland. Obwohl der Duft an sich nicht gerade bezaubert, ist meine Erinnerung an diese Zeit schön. Und steigt aus dem Kochtopf Spargelduft auf, denke ich an meine Mutter – sie liebte Spargeln über alles, holte immer die besten vom Markt und kochte sie im Frühling mindestens einmal pro Woche. Stinkt es hingegen nach Chemie, liege ich in Gedanken erstarrt im Bett – in Basel am 1. November 1986, als Schweizerhalle brannte.
Ähnliches passiert über die Ohren. Ertönt aus dem Lautsprecher die süsse, kitschige Melodie des Mitternachtswalzers, tanze ich in Gedanken beschwingt mit meinem ersten Schatz im kleinen Hotel auf der Melchsee-Frutt, das muss in den Winterferien gewesen sein. Als ich vor 35 Jahren erstmals in Amerika war, hörte ich aus den Strassenschluchten von Manhattan die Sirenen der Polizeiautos – und erschrak bis ins Mark. Weshalb? Als Buschi – das ist in Basel ein Säugling – habe ich noch die Luftschutzsirenen gehört.
Düfte und Geräusche sind Erinnerungen, gute und schlechte. Traurig, dass das Vermögen unserer Riech- und Hörorgane mit dem Alter abnimmt. So müssen wir halt die Düfte und Geräusche rechtzeitig mit den dazu gehörigen Bildern in unserm Kopf speichern.
Ursy Trösch