Vor mir steht eine kleine hellblaue Blechdose. Darin sind meine Stecknadeln. Seit Jahrzehnten schon. Als unbegabte und deshalb faule Näherin brauche ich sie nicht oft. Mein Blick bleibt hängen am Deckel der Dose mit seiner schwarz-roten Aufschrift «IRIS – 250 Stahlstecknadeln No. 7 für feinste Stoffe und Seide – Schweizer Fabrikat». Und meine Gedanken beginnen zu wandern …
Ob es diese IRIS-Stecknadeln heute noch gibt? Ob in der Schweiz überhaupt noch Stecknadeln hergestellt werden? Wir beziehen ja so viele Dinge aus dem fernen Ausland, wo die Produktion billiger ist. Wie viele Stecknadeln braucht wohl ein durchschnittlicher Haushalt? Wer nicht wirklich professionell näht, braucht einmal im Leben eine Dose Stecknadeln. Die meine wird mich garantiert überleben.
Es gibt ähnliche Sachen. Zum Beispiel die Wäscheklammern. Meine Wäscheklammern sind mindestens 20 Jahre alt, einige noch aus Holz und zur Hälfte weiss bemalt. In der Küche stosse ich auf mehrere Gegenstände, die schon meiner Mutter gehört haben. Die handliche kleine Bratengabel möchte ich nicht missen. Oder die Kaffeedose, in deren Boden «Kaffee Kaiser» eingraviert ist. Sie hat zwar einen unübersehbaren «Buck», aber ich liebe sie in ihrer nostalgischen Altmodigkeit.
Die wirklich alte runde Metallgiesskanne im Garten! Solche Kannen werden heute ja wieder hergestellt. Doch unsere bauchige Giesskanne ist noch handfeste Qualität von früher. Als ich sie einmal irgendwo «verstellt» hatte, war ich sehr traurig über den vermeintlichen Verlust, bis sie wieder zum Vorschein kam.
Meine Gedanken wandern weiter in die Gegenwart. Wie viele Dinge unseres heutigen Lebens leben nur kurz. Sie veralten, sind rasch überholt. Mein Computer ist ein «Grossvater». Ich habe ihn seit fünf Jahren, und er kann vieles nicht, was seine «Enkel» können. Aber mein Herz hängt an ihm – sofern ein Herz an einem elektronischen Gerät hängen kann. Er hat mir so manchen Fehler verziehen und geduldig meine Ungeduld ertragen, wenn wieder einmal etwas nicht rund lief.
Ja, ich weiss, ein Computer ist ein vielfach raffinierteres und daher kurzlebigeres Gerät als eine Stahlstecknadel No. 7.
Ursy Trösch