Editorial

Editorial der Dorfposcht Nr. 71 vom 26. September 2003

Liebe Leserinnen und Leser

Das Jahr 2003 hat es in sich.

[Das Titelbild der Dorfposcht Nr 71 vom September 2003]Hätten Sie gedacht, dass es in der Schweiz diesen Sommer vierzig Grad heiss wird? Hätten Sie geglaubt, dass die Altersrenten einmal nicht mehr sicher sind? Wer hat damit gerechnet, dass SARS, eine exotische Krankheit, die Reise­branche weltweit in die Krise stürzen könnte? Und wer hätte je gedacht, dass die Strom­ver­sor­gung im stärksten Land der Welt schlapp macht – ohne Vorwarnung?

Wir glaubten, alles im Griff zu haben, alles geplant, berechnet und versichert; Zu­kunfts­aus­sich­ten positiv. Und jetzt das; Hitze­wel­len, Waldbrände, Ozonspitzen, Gle­tscher­schmel­ze, Virenattacken (echte und virtuelle), Rezession, Stromausfall.

Planung, die wir für gut hiel­ten, macht sie noch Sinn oder ist sie wertlos geworden? Wir vertrauen auf die moderne Technik, doch diese erweist sich immer mehr als untauglich. Grenzen werden sichtbar. Auf vieles, was wir als gesichert und selbst­ver­ständ­lich hiel­ten, ist kein Verlass mehr. So etwas beunruhigt und verunsichert.

Wir sind uns gewohnt, dass der Strom fliesst, wenn man ihn braucht. dass das Telefon und der Kühlschrank funktioniert, die Lüftung sowie der Rasierapparat, die Stän­der­lam­pe, die Wasch­maschi­ne und der Staubsauger arbeitet.

Wie soll es mit der arbeitenden Klasse in zehn oder zwanzig Jahren aussehen, wenn die Jungen auf der Strasse sitzen, weil zuwenig Lehrstellen vorhanden sind. Die Alten wer­den erst mit 67 pensioniert. Steht man dann ab 64 Jahren auch auf der Strasse, weil die Betriebe die hohen Sozialkosten nicht mehr mittragen können oder wollen?

Im Sport lieben wir Rekorde, doch bei Klimaphänomenen, Katastrophen und Kon­kur­sen hinter­lassen sie einen Hauch von Welt­un­ter­gangs­stim­mung. Sollen wir weg­schauen? Glauben wir, alles komme ja sowieso bald wieder besser, oder suchen wir vor­sichts­hal­ber schon mal nach den Schuldigen?

Warum ist die Welt nicht mehr, wie sie war? Bestraft jetzt etwa die Natur den Übermut der technischen Zivilisationen? Nein, nein. Die Natur ist schon mit ganz anderen Ka­ta­stro­phen fertig geworden, denn sie hat Zeit, viel mehr Zeit als wir Menschen. Sie ist nicht auf uns angewiesen, aber wir auf sie. Darum müssen wir lernen, gut sein zu ihr.

S. und P. Braunwalder

Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln;
Erstens durch Nachdenken, das ist der Edelste;
Zweitens durch Nachahmung, das ist der Leichteste;
und drittens durch Erfahrung, das ist der Bitterste. (Konfuzius)

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