Gedankenflug: Später hat sich die Heimat verschoben

Ob ich will oder nicht: rund um den 1. August gehen mir immer wieder Gedanken durch den Kopf über mein Heimatgefühl.

Heimat war für mich während Jahrzehnten ganz klar Basel. Dort war ich aufgewachsen, mein Dialekt ist unverkennbar Baseldeutsch, und die nahen Grenzen zu Deutschland und Frankreich haben mich geprägt. Ich ging und gehe gern über Grenzen, höre gern andere Sprachen, schnuppere gern ausländische Luft – und wenn es nur ein paar Kilometer von Basel rheinabwärts im Elsass ist. Es riecht anders, es riecht interessant.

Später hat sich diese Heimat irgendwie verschoben, genau genommen hat sie sich erweitert. In Zürich habe ich studiert, wohnte da und dort in der deutschen und französischen Schweiz. Jetzt im Zürcher Weinland, was für mein Basler Herz anfänglich recht exotisch war. Am weitesten wurde Heimat für mich, als ich während mehr als einem Jahr in Afrika lebte. Da war ausnahmslos die ganze Schweiz Heimat für mich. In jenem Jahr habe ich die 1. August-Ansprache unseres Bundespräsidenten so aufmerksam verfolgt wie wohl nie mehr seither.

So weit habe ich nur von Orten, Regionen, von Geographie geschrieben. Heimat ist aber vor allem wohl ein Gefühl. Mich daheim fühlen in einem Dorf, in einer Landschaft, in einem Land – das hat mit den Menschen dort zu tun. Damit wie diese Menschen sich im Leben verhalten und miteinander umgehen, kurz: Heimat hat für mich auch mit Anstand, Fairness, Offenherzigkeit und innerer Offenheit der Menschen um mich herum zu tun.

Wenn ich mir das so überlege, dann spüre ich: es gab schon Zeiten, da habe ich mich besser gefühlt in meiner Schweizer Haut als heute. Da bin ich stolz mit meinem roten Pass über Grenzen gereist, da habe ich stolz meine Nationalität genannt, wenn man mich fragte. Das hat sich geändert in den letzten Jahren. Ich merke, wie ich mir am Zoll plötzlich überlege, ob ich den Pass so sichtbar in der Hand halten will, wie ich mich fast verschämt in die Reihe der Einreisenden aus «Nicht-EU-Ländern» stelle.

Ich vermisse schmerzlich die frühere Offenheit – jedenfalls meine ich, meine Heimat Schweiz sei früher weltoffener und offenherziger gewesen.

Ursy Trösch

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert