Früher nannte man es Mittagsschläfchen. Die meisten berufstätigen Menschen hatten damals noch eine Mittagspause von zwei Stunden und gingen nach Hause. Auch mein Vater. Und immer nach dem Essen legte er sich eine halbe Stunde aufs Ohr – und wir tappten auf Zehenspitzen durch die Wohnung. Punkt halb zwei weckte ihn Mutter, er stand sichtlich erholt auf und nahm die zweite Tageshälfte in Angriff.
Manche meinten, nur Weicheier machen ein Mittagsschläfchen. Viele belächeln es noch heute – auch wenn man das Nickerchen jetzt modern als «Siesta» bezeichnet. Wer hat denn in all dem Stress Zeit dafür – nur entbehrliche Leute, die nichts Wichtiges zu tun haben!
Die Wissenschaft gibt den Kritikern nicht recht: Schlafstudien haben schon vor Jahren gezeigt, dass wir Menschen am Mittag ein ausgesprochenes Ruhebedürfnis haben. Um das herauszufinden, wurden einige Leute in fensterlose Räume gesperrt – ohne Uhr natürlich.
Ihre einzige Aufgabe: sie sollten sich hinlegen, wann immer sie müde waren, wann es ihr Körper nötig hatte. Und siehe da: es zeigte sich klar, dass wir Menschen vier Mal am Tag ruhen möchten, wenn man uns denn liesse. Nachts natürlich für mehrere Stunden, ganz deutlich am Mittag für eine kurze Zeit – sowie jeweils Mitte Vormittag und Mitte Nachmittag für ein paar klitzekleine Minuten.
Weiter ist heute auch erwiesen, dass Menschen, die am Mittag zwanzig bis höchstens dreissig Minuten schlafen, nachher leistungsfähiger sind. Warum also verordnen Arbeitgeber ihren Angestellten nicht längst ein Mittags-Nickerchen? Kürzlich habe ich gelesen, dass es so was schon gibt. Eine grosse Firma der Computerbranche soll eigentliche Ruheräume eingerichtet haben mit weichen Sesseln und Schlafmatten. Und gar befohlen wurde die Siesta den Beamten einer Stadtverwaltung in Deutschland. Man wolle von ihnen mehr Leistung und weniger Krankheitstage.
Nun denn: ich werde meine zweckentfremdete Strand-Bastmatte im Büro wieder öfters aktivieren und mich auf dem Boden kurz schlafen legen.
Ursy Trösch