Interview: Einblick in die Tätigkeit der Krankenpflege

Krank sein gehört nicht gerade zu den Sonnenseiten im Leben, schon gar nicht, wenn man auf Pflege angewiesen ist. Nicht nur alte Leute können in solchen Situationen stehen. Durch Unfälle oder Krankheiten kann jeder plötzlich auf Hilfe angewiesen sein, was natürlich niemand hofft. Zwar wissen viele von der gut ausgebauten Spitex-Krankenpflege, aber wissen die Leute auch, wer dahinter steckt und wie man Hilfe anfordert? Im Gespräch mit unserer leitenden Gemeindekrankenschwester habe ich Interessantes über die Krankenpflege erfahren.

Yolanda Beringer, wie sind Sie überhaupt zu dieser Tätigkeit gekommen?

Als gelernte Krankenschwester arbeitete ich früher im Spital. Nach der Geburt meiner Kinder blieb ich als Nachtwache im Berufsleben. Vor knapp zwanzig Jahren fragte mich eine Nachbarin an, ob ich nicht als Aushilfe in die Krankenpflege einsteigen wolle. Ich war am Anfang skeptisch. Zur Spitex wollte ich eigentlich nicht. Ich könne doch meine Kinder mitnehmen, die alten Leute hätten sicher Freude, so wurde mir die Arbeit schmackhaft gemacht. Schliesslich willigte ich ein und kam langsam in alles hinein. Zuerst waren es nur Aushilfseinsätze, später wurden es immer mehr und mehr, bis ich schliesslich Ende 1996 die Leitung übernommen habe.

Zuständig für die Organisation der Krankenpflege in den Gemeinden

Was heisst das konkret?

Für das Gebiet der Spitex Ossingen, Thalheim und Gütighausen mit allen Aussenhöfen bin ich für die Organisation der Krankenpflege zuständig. Nicht in unser Gebiet gehört die Haushalthilfe. Wir arbeiten zwar gut zusammen, doch ist diese bei uns separat organisiert. In der Spitex-Krankenpflege bin ich hier verantwortlich für die Einteilung der Kolleginnen, das Planen und Führen von Sitzungen und Rapporten, das Abfassen von Statistiken, Ausrechnen von Kostenvoranschlägen und zudem das Pflegen von kranken Leuten. Die Büroarbeit ist sehr aufwendig und vor allem seit dem neuen Krankenversicherungsgesetz noch grösser geworden.

Wer sind ihre Kolleginnen?

Christine Keller und Vreni Studer sind mit mir in der Krankenpflege tätig.

«Zeit für Gespräche mit Patienten muss man sich nehmen.»

Lernen Sie durch die Krankenpflege Ihre Patientinnen und Patienten gut kennen und bleibt auch etwas Zeit für Gespräche?

Diese Zeit muss man sich oft nehmen. Es ist aber enorm wichtig, dass Gespräche nicht zu kurz kommen. Dadurch kommt ein viel besseres Verständnis für die Patienten auf. Im Spital zum Beispiel kennt man den Patienten und seine Diagnose, nicht aber sein Umfeld. Hier kennt man die Familie, die Zusammenhänge, einfach vieles mehr. So versteht man die Leute denn auch viel besser, sieht tiefer hinein und weiss wer warum so reagiert. Ganz wichtig ist aber, dass wir Krankenschwestern voll der Schweigepflicht unterstellt sind. Was wir von den Patienten erfahren geht nie an die Öffentlichkeit.

Wie reagieren denn die Leute wenn Sie zum ersten Mal zu einem Krankenbesuch kommen?

Oft sind sie am Anfang eher verschlossen, doch meistens wird das Verhältnis schnell sehr persönlich. Wir sind auch offen dafür, dass der Patient seine Sorgen abladen kann und erzählen darf. Alte oder einsame Leute warten manchmal sehnlichst auf unseren Besuch und freuen sich darauf, mit jemandem reden zu können. Diese Gespräche laufen in der Grundpflege meistens einfach so mit. Wir können natürlich der Krankenkasse keine Plauderstündchen verrechnen. Momentan ist einfach auf dem Gesundheitswesen ein unglaublicher Druck da. Einerseits müssen wir uns gegenüber unseren Vorstehern in den Gemeinden verantworten, andererseits wollen wir die Patienten gut betreuen.

Ein ärztliches Zeugnis ist immer nötig

Wer erteilt Ihnen die einzelnen Pflegeaufträge?

Es braucht immer ein ärztliches Zeugnis. Wir können auch durch die Angehörigen einen Auftrag erhalten, aber in jedem Fall wird von der Krankenkasse ein Arztzeugnis verlangt, sonst zahlt sie die Kosten nicht. Zehn Prozent der Pflegekosten muss der Patient selber zahlen.

Wo erkundigt man sich im speziellen Fall über eine Spitex-Pflege?

Unser Büro befindet sich in Ossingen. Das Telefon (317 11 17) ist ausser am Wochenende immer nachmittags von 14 bis 14.30 Uhr besetzt, sonst kann auf den Telefonbeantworter gesprochen werden. Alle Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde können unseren Dienst beanspruchen.

Wird durch die Spitex auch der frühere Arztbesuch ersetzt und wie klappt die Zusammenarbeit mit den Hausärzten?

Wir ersetzen weder den Hausarzt, noch den Arztbesuch. Die Andelfinger Ärzte besuchen auch heute noch Patienten in unseren Dörfern. Wir haben wirklich grosses Glück. Die Zusammenarbeit mit den Ärzten könnte nicht besser sein. Überhaupt sind wir momentan auch untereinander ein sehr gutes Team. Wir arbeiten alle sehr gut zusammen.

«Es ist wichtig, darüber reden zu können»

Wie verarbeiten Sie denn schwierige Situationen wie Todesfälle?

Das kommt sehr auf den einzelnen Fall an, ob der Patient Schmerzen erleiden musste und nun erlöst ist, auf sein Alter usw. Es stimmt aber, nicht nur die Angehörigen müssen mit einem Todesfall fertig werden, auch wir müssen das Erlebte verarbeiten. Untereinander reden wir am Rapport darüber. Meist werden solche Themen noch bei einem Kaffee mit meinen Arbeitskolleginnen besprochen. Es ist wichtig, darüber reden zu können. Es sind nicht nur Todesfälle, die einem beschäftigen. Es gibt auch schwierige Pflegefälle. Auch diese Probleme müssen untereinander gut abgesprochen werden. Ich selber schalte am besten zuhause in meiner Familie ab. Hier gibt es immer viel zu tun und ich werde abgelenkt.

Welches ist das Hauptziel der Spitex-Organisation?

Eindeutig, dass die Patienten möglichst lange zuhause bleiben und gepflegt werden können. Schwerkranken kann die Möglichkeit gegeben werden, in der gewohnten Umgebung zu sterben, Patienten können früher aus dem Spital entlassen werden und erhalten zuhause durch uns die nötige Pflege. Übrigens verwalten wir auch ein Krankenmobilienlager, wo elektrische Betten, Gehhilfen, Hygieneartikel usw. ausgemietet werden können.

Die Krankenpflege der Spitex ist sicher eine sehr sinnvolle Sache, die Aufgaben für die Krankenschwestern sind nicht immer einfach. Viel versteckte Arbeit und viele sozialen Dienste stecken dahinter. Es freut mich, dass die Spitex Organisation auf einen «guten Geist» wie Yolanda Beringer zählen darf. Ich bin überzeugt, dass sie und ihre Kolleginnen ein ideales Krankenpflege-Team bilden. Ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch.

Marlies Schwarz

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert