Es gibt Orte mit besonderer Ausstrahlung. Man hat den Eindruck, dass sich über Jahre, Jahrhunderte hinweg trotz vieler Änderungen, trotz Modernisierung eine Anziehungskraft erhalten hat, der man sich nicht entzieht. So geht es mir «i de Kartuus». Wir haben den Ort schon früher hie und da besucht. Als sich dann noch irgendwo ein Lehensbrief gefunden hat, der aussagt, dass die Einwohner von Herten Lehensleute des loblichen Gottshauses von Ittingen waren, habe ich mir oft vorgestellt, wie es war, als unsere Vorfahren über die Thur nach der Kartause pilgerten, um 1 Gulden, 5 Batzen, 6 Denar, 8 Müth Kernen, 6 Müth Haberen, ein Zins – und ein Herbsthuen, 50 Eyer in der Kartause abzuliefern.
Einmal, noch während der Renovation, haben wir auf einer Wanderung einen kurzen Aufenthalt gemacht. Eine Wirtschaft gab es noch nicht. So sind wir, es war anfangs Herbst, auf der zerfallenen Treppe gesessen und haben einen Apfel gegessen. Die friedliche Atmosphäre von damals ist mir immer noch gegenwärtig, es war so eine «O, Augenblick, verweile»-Stimmung.
Nach der Renovation war die erste Empfindung eher Enttäuschung. Als Zufahrt statt des kleinen Strässchens die breite, verlegte Strasse. Die «neuen» Gebäude, fremd, zu viel Betrieb, von friedlicher Stille war nicht mehr viel zu spüren, sehr nach «es muss rentieren» aussehend … Dass es Betrieb, Aktivitäten etc. braucht, damit die Finanzen stimmen, dass habe ich bald begriffen.
Seither bin ich viele Male in der Kartause gesessen, im Museum, habe die Kartäuserzellen angeschaut, Ausstellungen besucht, die Rosen bewundert, Feste dort gefeiert, im Restaurant eingekehrt … Etwas von der besonderen Ausstrahlung ist immer noch, oder wieder zu spüren. Ein Ort, an dem man sich wohl fühlt.
Etliche Male bin ich bei meinen Besuchen auf der hinteren Seite, wo die grosse, von Rosen überwachsene Mauer gegen den Wald hin steht, vor der kleinen Türe in der Mauer stehen geblieben und habe mir die oben angebrachte Tafel angeschaut, habe mich gefragt, was es mit der Aufschrift «PORTVLA AVERSA PRO LOVIS. Aedificata anno MCMLXXX» wohl für eine Bewandtnis habe. Ich habe einiges unternommen, um dahinter zu kommen. Mein lateinkundiger Enkel sagte mir, mit dem «Lovis» sei nichts anzufangen – am Ende könnte es «Louis» heissen. Das wollte ich nicht recht glauben, ich habe weiter «geforscht». Das Ergebnis: das Ganze sei ein Scherz und heisse nicht etwa «hintere Türe für Lovis», sondern frei übersetzt: «Hintertürchen für Louis» und beziehe sich auf einen Mitarbeiter. Die Jahrzahl anno MCMLXXX (1980) ist ein Hinweis, dass es sich nicht um eine Kartäuser handeln kann.
Fazit: Matthias hat recht gehabt und ich kann über ein neues, eventuell wichtigeres Thema nachdenken …
Els Morf