Interview: Mirta Geser, neue Gemeindeschreiberin im Job-Sharing

In der vorletzten Ausgabe der Dorfposcht wurde in den Gemeindenachrichten publiziert, dass das Gemeindeschreiberamt neu im Job-Sharing geführt wird. Bereits vor ein paar Jahren hat die Schulpflege an der Unterstufe in unserer Gemeinde eine Job-Sharing-Stelle besetzt.

Was vor Jahren noch eine Seltenheit war und mit viel Skepsis aufgenommen wurde, scheint sich heute zu bewähren und in verschiedenen Arbeitsbereichen durchzusetzen. Ein Novum ist das Job-Sharing also eigentlich nicht mehr.

Trotzdem, Frau Geser, Thalheim hat das Gemeindeschreiberamt auf zwei Stellen aufgeteilt. Das gibt es wahrscheinlich noch nicht in vielen Gemeinden.

Nein, tatsächlich ist Thalheim die erste Gemeinde im Kanton Zürich mit einem Gemeindeschreiberamt im Job-Sharing.

Wie kam es dazu?

Bekanntlich hat Cyrill Bühler den Wunsch geäussert, sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zu reduzieren. Vor meiner jetzigen Tätigkeit war ich in Unterstammheim als Steuersekretärin und in weiteren Fachbereichen voll erwerbstätig. Weil ich seit vier Jahren mit den Folgen eines Schleudertraumas zu kämpfen habe, fasste ich den Entschluss, meinen Berufsalltag neu zu gestalten. Nebenberuflich bin ich noch in der Lehrlingsausbildung in unserem Berufsverband engagiert und Ende April werde ich eine zweieinhalbjährige Weiterbildung beginnen, welche mich zeitlich ziemlich in Anspruch nehmen wird. So kommt mir eine Reduzierung des Arbeitspensums sehr gelegen.

Für mich ist der bisherige Gemeindeschreiber, Cyrill Bühler, keine unbekannte Person. Als mein «Oberstift» habe ich ihn in der Stadtverwaltung Opfikon kennengelernt, wo wir beide unsere Verwaltungslehre absolviert haben. Seit unserer Lehrzeit haben wir uns hin und wieder gesehen, und bei diesen Treffen wurde natürlich auch über Zukunftsvisionen gesprochen. Im letzten Halbjahr haben sich unsere Vorstellungen und Ideen immer mehr konkretisiert, und so ist die heutige Job-Sharing-Stelle entstanden.

Der Gemeinderat hat das Job-Sharing sofort befürwortet

Gab es Probleme mit der Einführung dieser Stelle?

Der Gemeinderat hat die Sache sogleich befürwortet. Innerhalb des Kantons galt es gewisse Grundlagen im Zusammenhang mit der Unterschriftsberechtigung neu zu regeln. Was das Amt des Gemeindeschreibers, des Steuersekretärs und des Finanzverwalters betrifft, ist die Angelegenheit geregelt. Probleme gab es nur beim Zivilstandsamt; dies, weil im Eidgenössischen Recht pro Zivilstandskreis nur ein Zivilstandsbeamter vorgesehen ist. Und das kann auch die Gemeinde Thalheim nicht ändern, wurde uns von kantonaler Seite mitgeteilt.

Gleichberechtigung ist das oberste Ziel

Herr Bühler und Sie gelten für unsere Einwohner als zwei gleichberechtigte Ansprechpartner. Wie funktioniert diese Aufteilung konkret?

Dass beide gleichberechtigt und zuständig sind, ist das oberste Ziel. Wichtig ist, dass der Informationsfluss funktioniert. Wir haben vereinbart, dass an den Sitzungen mit dem Gemeinderat immer beide Gemeindeschreiber anwesend sind. Einzelne Bereiche oder Projekte können dann trotzdem auf den einen oder anderen aufgeteilt werden. Neben der Gemeindeschreiberei, der Finanzverwaltung und dem Steueramt, werde ich mich wohl eher dem Sozialwesen und dem Zivilstandswesen widmen und Cyrill Bühler wird sich vermehrt mit dem Baurecht auseinandersetzen. Weil die Aufteilung auch für uns neu ist, stehen wir noch in einer Anlaufphase. Wie sich unsere Ideen und Vorstellungen dann bewähren, wird die Zukunft zeigen.

Kein «Schoggi-Job», wie viele meinen

Welche Vorteile bietet Ihnen dieses Job-Sharing und gibt es für Sie auch Nachteile?

Meine neue Tätigkeit ermöglicht mir, nebenbei andere Aufgaben anzupacken. Diese Abwechslung ist sicher ein grosser Vorteil. Ich werte es ebenfalls als positiv, einen verantwortungsvollen Job und doch Zeit für eine Weiterbildung und für das Amt in der Lehrlingskommission zu haben, auch wenn ich um einiges weniger verdienen werde. Jedoch muss ich mir gegen aussen einen gewissen Schutzmantel zulegen. Viele Leute meinen, wenn man «nur» 50 Prozent tätig ist, sei das so etwas wie ein «Schoggi-Job». Wie gesagt, sind meine zweiten 50 Prozent anderweitig bereits ausgefüllt. Zudem braucht es bei aufgeteilten Pensen für die Tageseinteilung mehr Organisation und Disziplin.

Sie arbeiten eng mit den Behörden zusammen. Gerade sind Wahlen erfolgt. Dadurch gerät dieses oder jenes in Umbruch. Zudem wird auf der Verwaltung eine neue Verwaltungsangestellte eingearbeitet. Sind das nicht schwierige Verhältnisse für einen Anfang? Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

In der neuen Amtsperiode gibt es im Gemeinderat nur einen Wechsel. So ist eine gewisse Kontinuität der Behörde gewährleistet. Ich kann da unbelastet darauf zugehen. In unserem Beruf ist es einfach so, dass unsere Vorgesetzten alle vier Jahre vom Volk gewählt werden und nicht von uns ausgesucht werden.

Einarbeitung ist auch auf einer Kleinverwaltung zeitaufwendig

Seit dem 1. Februar habe ich meine Arbeit in Thalheim aufgenommen. Die Einführung war (und ist noch immer) zeitaufwendig, auch auf einer Kleinverwaltung. Jede Gemeindeverwaltung ist anders organisiert und gewisse Eigenheiten der Gemeinde gilt es erst kennenzulernen. Da ich Cyrill Bühler bereits kannte, war dies für die Anfangszeit sicher ein grosser Vorteil. Neben dem Fachwissen ist nach meiner Meinung für das Job-Sharing sehr wichtig, dass beide Personen menschlich miteinander zurecht kommen. Ebenso wichtig ist die gegenseitige Unterstützung, das offene Gespräch, wie sich auch gegenseitig fair kritisieren zu können.

Kommen wir nochmals auf die Neuwahlen zurück. Es wird immer schwieriger, Leute für Behördentätigkeiten zu gewinnen. Wie gehen Sie damit um?

Das Problem ist weitherum bekannt. Nicht nur Behörden, auch Vereine haben die gleichen Sorgen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass solche Tätigkeiten früher von den Arbeitgebern unterstützt wurden, wie dies auch bei Militärkarrieren der Fall war. Bei der heutigen Arbeitssituation, werden Behördenämter nicht mal bei Kaderleuten unterstützt. Jede Betriebsabwesenheit wird negativ gewertet. Ein solches Nebenamt bedeutet natürlich auch Mehrarbeit und weniger Freizeit, und zudem sieht der Verdienst nicht sehr verlockend aus. Dies schreckt immer mehr Leute ab, sich für Aufgaben in der Gemeinde in ihrer Freizeit zur Verfügung zu stellen. Nur darf man nicht vergessen, dass ein Nebenamt, sei es in einer Behörde oder einem Verein, auch Freuden bringt und einem hilft, sich persönlich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen.

«Im Dienste aller»

In Ihrer Eigenschaft als Gemeindeschreiberin führen Sie so etwas wie eine «Pufferfunktion» zwischen Gemeinderat und Einwohnern aus. Welches sind Ihre Erwartungen und Wünsche an die Gemeindebewohner und Ihre Vorgesetzen?

Mit dem Gemeinderat hoffe ich auf eine gute und angenehme Zusammenarbeit. Das ist mir sehr wichtig. Bei den Einwohnerinnen und Einwohner möchte ich mich an unser Motto «Im Dienste aller» halten. Bei der grossen Flut von Gesetzen und Verordnungen ist es nötig, den Leuten Hilfe anzubieten. Die Gemeindeverwaltung hält ihre Türe offen, für Fragen, Probleme und Anregungen. Ich möchte den Einwohnerinnen und Einwohnern so begegnen, wie ich selber auch als Kunde behandelt werden will. Der Kontakt zur Bevölkerung ist mir viel wert. Das schätze ich auch an meinem Beruf.

Frau Geser, ich bedanke mich bei Ihnen und hoffe, dass Sie in unserer Gemeinde Ihre Erwartungen erfüllen können. Ich wünsche Ihnen und unserer Gemeinde weiterhin eine gute Aufbauphase des ersten Gemeindeschreiber Job-Sharings im Kanton Zürich.

Marlies Schwarz

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